Bei Rückenmarksverletzungen wird das so genannte Myelin-assoziierte Glykoprotein (MAG) frei gesetzt. Der Eiweißstoff hindert die verletzten Nervenzellen daran, neue Nervenfasern ? so genannte Axone – auszubilden. Wie MAG den Heilprozess hemmt, war bisher unbekannt. Offenbar bindet MAG an bestimmten Eiweißmolekülen, so genannten Gangliosiden, auf der Oberfläche von Nervenzellen. Dadurch klumpen die Ganglioside zusammen. Die Gangliosid-Klumpen hemmen dann die betroffene Nerzenzelle, sich zu regenerieren. Versuche an Rattennerven stützen diese These.
Folgende vier Wirkstoffe begünstigen jedoch die Nerven-Regeneration: Ein Anti-MAG-Antikörper, der MAG blockiert. Ein Anti-Gangliosid-Antikörper, der das Gangliosid gegen MAG abschirmt. Das Enzym Neuraminidase, das Teile des Gangliosids abschneidet, so dass MAG nicht mehr binden kann. Und die chemische Verbindung P4 (1-Phenyl-2-Hexadecanoylamino-3-Morpholino-1-Propanol), welche die Synthese von Gangliosiden hemmt.
Bisher testeten die Wissenschaftler diese Wirkstoffe nur in der Petrischale. Tierversuche sollen nun klären, ob die Nerven-Regenerationsfaktoren auch im lebenden Tier wirken. Eine Heilbehandlung für rückenmarkverletzte Menschen und Multiple-Sklerose-Kranke liegt zwar noch in weiter Ferne. Aber die neuen Erkenntisse bringen die Forschung diesem Ziel einen großen Schritt näher.