Die Schleimhaut der Atemwege und des Verdauungskanals hat unter anderem die Aufgabe, das Eindringen von Bakterien aus der Umwelt zu verhindern. Jetzt haben amerikanische Forscher herausgefunden, dass Schleimhautzellen auf Signale des Immunsystems reagieren und einen Schutzschild aufbauen, der gleichzeitig zwei Funktionen erfüllt: Er tötet Bakterien ab und verhindert, dass sie unnötige Entzündungsreaktionen auslösen. Das berichten die Wissenschaftler des Brigham and Women’s Hospital in Boston im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (Bd. 99, S. 3902).
Entzündungsreaktionen zählen zu den Sofortmaßnahmen des Körpers gegen Infektionen. Damit keine Gewebeschäden entstehen, müssen sie aber nach kurzer Zeit wieder abklingen. Zu diesem Zweck bilden Immunzellen Lipoxine, entzündungshemmende Botenstoffe. Sean Colgan und seine Mitarbeiter untersuchten, wie Lipoxine auf Kulturen menschlicher Schleimhautzellen wirken. Dabei stellten sie fest, dass diese Botenstoffe unter anderem ein Gen aktivieren, das für die Bildung eines antibakteriellen Proteins verantwortlich ist. Dieses so genannte „bactericidal/permeability-increasing“ (BPI) Protein war bisher nur als Produkt bestimmter Immunzellen bekannt.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass das BPI-Protein eine schützende Schicht an der Oberfläche der Schleimhautzellen bildet. Das verhindert die Anlagerung gramnegativer Bakterien, ein Vorgang, der normalerweise Entzündungsreaktionen auslöst. Versuche mit Salmonellen bestätigten außerdem, dass dieses Protein die Bakterien effektiv abtötet, indem es deren Zellhülle zerstört. „Diese Ergebnisse weisen einen bisher nicht bekannten molekularen Schutzschild der Schleimhäute nach“, schreiben die Wissenschaftler.
Offenbar wirken die Schleimhautzellen in größerem Maße aktiv an der Bekämpfung von Krankheitserregern mit als bisher angenommen. Sie sind mit Sensoren ausgestattet und können Abwehrstoffe bilden. Damit sind sie in der Lage, eine der Situation angepasste Reaktion gegen Mikroben in Gang zu setzen. „Unsere Befunde sind für verschiedene Erkrankungen der Schleimhaut von Bedeutung“, schreiben die Autoren. Dazu gehören chronische Darmentzündungen wie das Reizdarmsyndrom und Morbus Crohn oder Infektionen des Zahnfleisches. Medikamente, die die Produktion von BPI-Proteinen verstärken, könnten für eine Therapie solcher Krankheiten eingesetzt werden.
Joachim Czichos