Wissenschaftler des Europäischen Kernforschungszentrums CERN haben mit großer Wahrscheinlichkeit erstmals kalte Wasserstoffatome aus Antimaterie erzeugt. Dies gelang durch das Einsperren von Antiprotonen und Positronen in einer elektromagnetischen Falle bei einer Temperatur von nur vier Grad über dem absoluten Nullpunkt. Das Forscherteam ist der Meinung, dass dies zu der Bildung einzelner Antiwasserstoffatome geführt habe und will dies in den nächsten Monaten mittels Spektroskopieexperimenten beweisen.
Der an dem Forschungsprojekt beteiligte Elementarteilchenphysiker Gerald Gabrielse der Harvard-Universität stellte die ersten Ergebnisse des Antiwasserstoff-Projekts auf einer Tagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) in Boston vor. In ihrem Experiment erzeugen die Forscher zunächst energiereiche Antiprotonen durch das Auftreffen eines Protonenstrahls auf einen Materieblock. Diese Antiprotonen werden anschließend um einen Faktor von zehn Milliarden abgekühlt und bei einer Temperatur von vier Grad über dem absoluten Nullpunkt in einer elektromagnetischen Falle eingeschlossen. Bei der anschließenden Vermengung mit aus einer Zerfallsreaktion von Natrium-22 Isotopen erzeugten Positronen (Antielektronen) glauben die Forscher, Anzeichen für die Bildung von Antiwasserstoffatomen gefunden zu haben.
Während ein herkömmliches Wasserstoffatom aus einem positiv geladenen Proton als Atomkern und einem um den Kern kreisenden, negativ geladenen Elektron besteht, sind die Ladungen in einem Antiwasserstoffatom vertauscht: Es ist aus einem negativ geladenen Antiproton und einem darum kreisenden, positiv geladenen Positron aufgebaut.
Die Erzeugung von derartigen, aus Antimaterie bestehenden Wasserstoffatomen ist bereits vor einigen Jahren zwei Forscherteams am CERN und am Fermi-Lab in den USA geglückt. Die so erzeugten Antimaterieatome waren allerdings „heiß“ ? sie bildeten sich nur für Bruchteile von Sekunden durch den Zusammenprall sich schnell bewegender Antiprotonen und Positronen. Dieser Umstand verhinderte eine genaue physikalische Analyse der Antimaterieatome.
Der Einschluss der beiden Reaktionspartner (des Antiprotons und des Positrons) in eine sogenannte elektromagnetische Penning-Falle hat nun den Vorteil, dass die so erzeugten Antimaterieatome fast stationär im Raum sind ? sie bewegen sich praktisch nicht und sollten so einer umfassenden physikalischen Analyse zugänglich sein. Daher will das CERN-Team die Falle in einem nächsten Schritt für Laserstrahlen zugänglich machen. Dies soll eine spektroskopische Untersuchung des Systems ermöglichen und so die Erzeugung der Antiwasserstoffatome bestätigen.
Stefan Maier