Ein Gegenbeispiel ist Griffin, der Graupapagei aus dem Labor der Verhaltensforscherin Irene Pepperberg am Massachusetts Institute for Technology (MIT). Er fing vor einiger Zeit an, Objekte und Worte nach bestimmten Regeln zu kombinieren. Dass dies in der Entwicklung eines Individuums etwa zeitgleich geschieht, war bisher nur von Primaten ? vornehmlich Menschenkindern ? bekannt. Dieses Stadium entspricht einer Entwicklungshase kurz vor dem Erlernen des Satzbaus. Beim Menschen machen Wissenschaftler das so genannte Broca-Areal im Großhirn dafür verantwortlich. Ein Broca-Areal haben Vögel nicht.
Laut Pepperberg nutzt Griffin nicht gerade Satzbauregeln, wenn er zum Beispiel „möchtest du Weintraube?“ sagt. Aber für Pepperberg ist es ein Fall von regelgeleitetem Verhalten. Das bedeutet, dass Griffin versteht, dass komplexe Dinge in einer bestimmten Reihenfolge getan werden müssen.
Vögel zeigen auch regelgeleitetes Verhalten in ihrem Gesang. Genauso wie Kinder sprechen lernen, müssen sie ihren artspezifischen Gesang erlernen.
Nach Donald Kroodsma von der University of Massachusetts in Amherst ließen sich daran einige Rätsel um die Frage aufdecken, warum Lernen sich evolutiv überhaupt entwickelt habe. Er geht davon aus, dass viele Vögel ihre Gesänge lernen, um mit ihren Nachbarn im Brutgebiet zu kommunizieren. Sie schließen dabei oft Elemente aus dem Lied des Nachbarn ein. Als Ausnahme von der Regel führt er den Seggenzaunkönig an (Cistothorus platensis). Er ist nicht sesshaft, hat keine Nachbarn und singt deshalb nur sein eigenes, immer gleiches Lied.
Nach der Machiavelli-Hypothese hat sich logisches Folgern bei geselligen Primatenarten entwickelt. Sie können lernen, dass wenn A größer ist als B und B größer als C, A auch größer als C sein muss. Laut Alan Bond und Alan Kamil von der University of Nebraska sind gesellige Häherarten zu diesen Folgerungen ebenfalls in der Lage. In Belohnungsversuchen unterschieden sie viel besser zwischen für sie wertvollen und wertlosen Tauschobjekten als die einzelgängerischen Häher.
Ein anderes Gebiet auf dem Vögel besonders gut sind, ist die Orientierung. Viele Häherarten verstecken im Herbst tausende Nüsse und Samen als Wintervorrat. Laut Kamil finden sie die Verstecke anhand von Landmarken. Sie merken sich in welcher Linie die Landmarken zu dem Versteck stehen. Der Kreuzungspunkt der Linien markiert ihnen später den Nussvorrat.
Erstaunliches fand Verner Bingman von der Bowling Green State University. Um das enorme räumliche Vorstellungsvermögen von Tauben besser zu durchschauen, untersuchte er deren Hippocampus. Dies ist die Region im Gehirn, die für das Erlernen und Erinnern räumlicher Informationen wichtig ist. Das Ergebnis: Der Hippocampus unterschied sich kaum von dem einer Ratte. Bingman schließt daraus, dass die Unterschiede eher im Vorderhirn liegen. Dieser beim Menschen als „Neocortex“ bezeichnete Gehirnteil hat sich bei Säugern und Vögeln unabhängig voneinander entwickelt. Bei den Tauben scheint er so mit dem Hippocampus verschaltet zu sein, dass sie sich nicht verfliegen können.
Nach Bingman könnte man eines Tages vielleicht Navigations-Maschinen entwickeln, die auf den Strukturen des Vogelhirns basieren. Noch sei dies jedoch Science Fiction.