Die Meere könnten sich nach Überzeugung von Wissenschaftlern als wertvolle Quelle für neue pharmakologische Wirkstoffe erweisen. „Wir glauben, dass der marine Lebensraum viele noch unerschlossene heilwirksame Substanzen birgt“, sagte Biopharmakologin Heike Helmholz vom GKSS Forschungszentrum Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg) in einem dpa-Gespräch. Die Mitarbeiterin am GKSS-Institut für Küstenforschung/Physikalische und Chemische Analytik ist Mitglied einer Arbeitsgruppe, die sich seit zwei Jahren mit der Gewinnung bestimmter Wertstoffe aus marinen Organismen beschäftigt.
Schon heute zeigten medizinische Substanzen aus Schwämmen oder Manteltierchen, dass im Lebensraum Meer ein hohes Potenzial an Möglichkeiten stecke, meinte Helmholz. Nicht nur in den tropischen und subtropischen Gebieten – wegen ihrer Artenvielfalt für die Wissenschaft besonders interessant – kämen Tiere und Mikroorganismen vor, aus denen sich gesundheitlich verwertbare Stoffe gewinnen lassen, sondern auch in der Nord- und Ostsee. Als Beispiel nannte die GKSS-Wissenschaftlerin Mikroalgen, die kultiviert werden und getrocknet wegen ihres Eiweiß- und Vitamingehaltes ein gefragtes Nahrungsergänzungsmittel darstellen.
Auch im medizinischen Bereich gebe es vielversprechende Ansätze. So seien Wirkstoffe isoliert worden, von denen sich Mediziner eine Unterstützung bei der Krebsbehandlung versprechen. Laborversuche hätten sich als erfolgreich erwiesen, für einzelne Substanzen liefen jetzt klinische Studien.
Etliche Einrichtungen in Deutschland widmen sich nach Angaben der Wissenschaftlerin dem vergleichsweise jungen Feld der marinen Naturstoffforschung, das mit einem Förderprogramm des Bundesforschungsministerium unterstützt werde. Sie „glaube fest an die Möglichkeiten, die sich hier auftun“, sagte Helmholz. Denn der artenreiche marine Lebensraum, der immerhin 70 Prozent der Erdoberfläche bedeckt, sei hinsichtlich seines pharmakologischen Potenzials erheblich weniger erforscht als das Festland.
Am GKSS Forschungszentrum selbst wird den Informationen zufolge speziell mit Zuckerverbindungen, so genannten Glycokonjugaten, und mit gesundheitsfördernden selenorganischen Verbindungen gearbeitet. Die Arbeitsgruppe „Selektive Wertstoffseparation“ entwickelt Verfahren zur Isolierung dieser Substanzen, zum Beispiel aus Algen oder aus Produkten der Fischwirtschaft.
dpa