Ob jemand am Glimmstängel hängt oder nicht, liegt vor allem an genetischen Faktoren und am sozialen Umfeld. Und: Je früher ein Jugendlicher mit dem Rauchen beginnt, desto wahrscheinlicher ist es, dass er auch noch als Erwachsener raucht, betonen die beiden Sozialwissenschaftler Michael Bahrs und Mathias Schumann vom Hamburg Center for Health Economics an der Universität Hamburg. „Wenn man herausfindet, welche Faktoren in jungen Jahren zum Rauchen beitragen, könnte das helfen Strategien zu entwickeln, die Jugendliche vom Rauchen abhalten.“ Diesen Ansatz haben Bahrs und Schumann verfolgt und dazu die Daten des SOEP (Sozio-oekonomisches Panel), ausgewertet.
Die Datenbank des SOEP basiert auf jährlichen Umfragen unter 25.000 Personen, die sich auf ungefähr 11.000 deutsche Haushalte verteilen. Die Erhebungen zu Gesundheit, Einkommen, Arbeit und Ausbildung führt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung seit 1984 durch. Mithilfe der Daten führten Bahrs und Schumann eine statistische Analyse durch und ermittelten die Gründe, warum Menschen zu Rauchern werden. Andere Studien hatten bereits gezeigt, dass bei früh eingeschulten Kindern die Wahrscheinlichkeit erhöht ist, eine Aufmerksamkeitsstörung auszubilden. Die beiden Forscher wollten nun wissen, ob das auch beim Rauchen eine Rolle spielt.
Wenige Monate machen einen Unterschied
In Deutschland entscheidet das Geburtsdatum eines Kindes, wann es schulpflichtig wird – gemessen an einem Stichtag. In Niedersachsen zum Beispiel ist das der 30. September. Kinder, die vor diesem Datum ihren sechsten Geburtstag feiern, sollten noch im selben Herbst zur Schule gehen. Kinder, die danach sechs Jahre alt werden, erst im Herbst des Folgejahres. Außerdem legen die Kinder noch einen Test ab, ob sie „schulgeeignet“ sind. „Daraus ergeben sich erhebliche Unterschiede beim Alter zu Schulbeginn“, so Bahrs und Schumann.
Wie die Sozialwissenschaftler herausfanden, hat das Alter bei der Einschulung nicht nur einen sichtbaren Effekt auf die ADHS-Anfälligkeit, sondern auch auf die Neigung zu rauchen, auf die weitere Schulkarriere und auf die spätere Gesundheit. Dabei können offenbar nur wenige Monate, die ein Kind später eingeschult wird, bereits einen Unterschied machen. „Einen Monat später eingeschult, verringert das Langzeitrisiko zu rauchen im Mittel um 1,3 Prozentpunkte und lässt die Wahrscheinlichkeit guter oder sehr guter Gesundheit um 1,6 Prozentpunkte steigen“, rechnen Bahrs und Schumann vor. „Erhöht man das Einschulungsalter also um elf Monate, verringert sich das Risiko, später Raucher zu werden, um 14,3 Prozent.“ Und die Wahrscheinlichkeit, später im Leben körperlich gesund zu sein, wächst um 17,6 Prozentpunkte.
Frühe Einschulung, schlechte Bildung
Die Gründe dafür sehen die Forscher im Schulumfeld, genauer bei den übrigen Schülern und vor allem denen, die rauchen. Umfragen haben belegt, was man überall beobachten kann: Mehr ältere Schüler als jüngere hängen am Glimmstängel. Liegt der Anteil der Zehn- bis Elfjährigen bei nahezu 0 Prozent, sind über 40 Prozent der 16- und 17-Jährigen Raucher. Sobald Kinder eingeschult werden, kommen sie auch mit Älteren in Kontakt. Umso früher die Einschulung stattfindet, desto wahrscheinlicher schauen sie sich also von rauchenden Mitschülern das Rauchen ab.
Die Forscher führen das auf zwei Ursachen zurück: „Kinder, welche jünger eingeschult werden, sind auch die jüngsten in ihrer jeweiligen Klasse – und das über die gesamte Schullaufbahn hinweg.“ Die älteren Kinder haben so die gesamte Schulzeit hindurch einen negativen Einfluss auf die jüngeren Mitschüler. „Zudem gehen wir davon aus, dass früh eingeschulte Kinder sich eher zum Rauchen verleiten lassen, da sie die jüngsten in der Klasse sind und sich eher beweisen wollen.“
Überdies haben frühere Forschungen ergeben, dass spät eingeschulte Kinder, nach der Grundschule häufiger auf dem Gymnasium landen. Dasselbe gilt umgekehrt: Jung eingeschulte Kinder beschreiten seltener einen höheren Bildungsweg. Je nach Schulform unterscheidet sich aber der Anteil an rauchenden Jugendlichen. Während an deutschen Gymnasien circa acht Prozent der 12- bis 15-Jährigen qualmen, sind es fast 20 Prozent an Hauptschulen und knapp 15 Prozent an Realschulen. „Das heißt, auch die Schulform wirkt auf das Rauchverhalten von Kindern ein“, so Bahrs und Schumann.
„Die Ausgaben im Gesundheitsbereich, die durch das Rauchen verursacht werden, sind enorm“, betonen die beiden Hamburger Forscher. „Es ist daher immens wichtig, dass wir die Faktoren verstehen, warum Jugendliche rauchen, und zu verhindern, dass sie überhaupt damit anfangen.“