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Endoprothesen: Vom Elfenbeingelenk zum Rotationsknie

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Endoprothesen: Vom Elfenbeingelenk zum Rotationsknie
Ein mutiger Vorstoß hatte für den deutschen Arzt Themistokles Gluck (1853 – 1942) Ende des 19. Jahrhunderts fatale Folgen: Nachdem er 1894 einem Patienten das weltweit erste künstliche Kniegelenk eingesetzt hatte, flog er aus der Deutschen Chirurgischen Gesellschaft. Heute erhalten nach Angaben des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie jährlich allein in Deutschland bis zu 60 000 Menschen ein künstlichen Kniegelenkersatz und damit eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebensqualität. Zu Glucks Zeiten hießen die Alternativen Versteifung und im schlimmsten Fall Amputation.

In Deutschland können Patienten laut Prof. Lutz Jani (Mannheimer Universitätsklinik) in 1000 Kliniken Endoprothesen erhalten – künstliche Gelenke oder Gewebe. Eines der führenden Häuser für Knochen- und Gelenkchirurgie und nach eigenen Angaben die weltweit größte Spezialklinik für Prothesen im Körper ist die Hamburger Endoklinik. Hier lassen sich seit mehr als 25 Jahren Patienten aus dem In- und Ausland defekte Hüft-, Schulter-, Ellenbogen- und Sprunggelenke sowie Schäden der Wirbelsäule operieren. Ärzte setzen jährlich rund 750 Kniegelenksprothesen ein und forschen an neuen.

Inzwischen können die Endoprothesen nach Ansicht des Ärztlichen Direktors der Endoklinik, Götz von Foerster, in den meisten Fällen weitgehende schmerzfreies Bewegen ermöglichen. Natürlich werde der Einsatz eines künstlichen Gelenks stets nur dann in Erwägung gezogen, wenn andere Operationen, Therapien oder auch Medikamente nicht mehr ausreichen. Dennoch würde die Zahl der Endoprothesenanwärter weiter wachsen. Ursachen für Knieprobleme seien neben altersbedingtem Verschleiß auch rheumatische Erkrankungen und Verletzungen.

Weltweit wird heute mit drei Stufen der Kniegelenksprothesen gearbeitet. Die erste Stufe ist die so genannte Schlittenprothese. «Ein geniales kleines Implantat, das völlige Bewegungsfreiheit zulässt, aber auch einen intakten Bandapparat voraussetzt», erklärt von Foerster. Es werde in etwa 15 Prozent aller notwendigen Knieoperationen eingesetzt. Die zweite Stufe und in der Welt häufigste Endoprothese sei der Oberflächenersatz bei Innen- und Außenarthrose. Auch er setze ein intaktes Kapselbandsystem voraus. Die dritte Stufe schließlich seien gekoppelte Kniegelenke als Vollgelenkersatz bei schwerster Abnutzung.

Zur letzten Gruppe gehört die Scharnierprothese. Sie erlaubt Beugung und Streckung des Knies. Zusätzliche Drehbewegung ermöglicht das so genannte Rotationsknie – ebenfalls ein gekoppeltes Gelenk, das von einem Ärzteteam der Endoklinik und der Hamburger Firma Waldemar Link entwickelt wurde. Nach Angaben der Orthopädischen Gesellschaft arbeiten Kliniken und Hersteller derzeit an «abriebarmen Gleitpaarungen» – Kunstgelenken mit extrem wenig Materialschwund.

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Auch das Team der Endoklinik untersucht neue Materialen, die nicht nur verträglich und haltbar sein sollen, sondern möglichst auch leicht. Gluck, der übrigens später rehabilitiert wurde und längst zu den bahnbrechenden Chirurgen seiner Zeit zählt, experimentierte noch mit Elfenbein. Die modernen Endoprothesen werden aus bioverträglichen hochwertigen Metalllegierungen, Kunststoff und Keramik gefertigt. «Der Trend geht zur Herstellung kleinerer Endoprothesen, bei deren Einbau wenig Knochensubstanz entfernt werden muss, erklärt von Foerster. «Wir entwickeln gerade – wieder gemeinsam mit der Firma Link – ein solches Modell.» Mit dieser Weltneuheit werde die Klinik aber wohl erst in einem Jahr arbeiten können.

In wenigen Kliniken Deutschlands verpflanzen Ärzte seit einigen Jahren auch Knorpelzellen des Patienten, lange bevor ein künstliche Gelenk nötig ist. Orthopäden am Marienhospital in Gelsenkirchen-Buer stellten mit der autologen Chondrozytentransplantation (ACT) bei 194 Patienten im Alter zwischen 13 und 68 Jahren die Gelenkfunktion wieder her. Eine aktuelle Studie von Andreas Gossen nennt eine Erfolgsquote von 91 Prozent noch drei Jahre nach dem Eingriff.
Zunächst wird eine gesunde Knorpelschuppe entnommen und Zellen im Blut des Patienten als Nährmedium gezüchtet. In einer großen Operation werden sie wieder injiziert. Wenn alles gut geht, darf der Patient nach sechs Wochen das Knie wieder teilbelasten.

dpa
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