Um neue Gedächtnisinhalte in bleibende Erinnerungen zu überführen, müssen Gene in Nervenzellen aktiviert, neue Proteine gebildet und Nervenverbindungen verändert werden. Wissenschaftler des Howard Hughes Medical Institute in New Haven haben jetzt eine am Beginn dieser Reaktionskette stehende, essentielle Komponente im Vorderhirn von Mäusen nachgewiesen. Es handelt sich dabei um ein Enzym, also ein katalytisch wirkendes Protein, das speziell für die Ausbildung des Langzeitgedächtnisses notwendig ist. Die Arbeit haben die Forscher im Fachblatt Cell veröffentlicht.
Susumu Tonegawa und seine Mitarbeiter gingen der Frage nach, wie bleibende Erinnerungen entstehen. Bekannt war, dass bei Prozessen des Lernens und Erinnerns das Enzym Kalzium-Calmodulin-abhängige Kinase (CaMKIV) eine wichtige Rolle spielt. Es aktiviert ein Protein, das mehrere Gene einschaltet und dadurch die Neusynthese weiterer Proteine bewirkt. Ob dieses Enzym speziell für den Aufbau des Langzeitgedächtnisses notwendig ist, blieb ungeklärt.
„Wir setzten eine Technik ein, mit der das Enzym nur im Vorderhirn inaktiviert wurde“, sagt Tonegawa. Dafür erzeugten die Forscher gentechnisch entsprechend veränderte Mäuse. Die Tiere lernten zwar, einen Elektroschock kurzzeitig mit einer bestimmten Umgebung zu assoziieren, konnten diese Erinnerung aber nicht mehr in ihr Langzeitgedächtnis überführen. „Unsere Versuche zeigten, dass CaMKIV primär an der Festigung und dem Erhalt von Erinnerung beteiligt ist“, sagt Tonegawa.
Mithilfe ihrer neu entwickelten gentechnischen Arbeitsmethode hoffen die Wissenschaftler, weitere Teile des komplexen Mechanismus aufzuklären, durch den das Langzeitgedächtnis entsteht. Noch ist zum Beispiel nicht bekannt, welche Gene dabei aktiviert und wie die synaptischen Nervenverbindungen verändert werden.
Joachim Czichos