Philip Seymour von der Dundee University und seine Kollegen haben das Lesenlernen von Kindern aus 15 verschiedenen Sprachgemeinschaften in Europa verglichen. Dabei zeigte sich, dass germanische Sprachen wie Englisch und Deutsch generell schwieriger zu lesen sind als romanische Sprachen wie Spanisch oder Italienisch. Am leichtesten haben es die finnischen Kinder.
Schwierig für Leseanfänger sind zum einen die Konsonantenhäufungen, die in den germanischen Sprachen stärker ausgeprägt sind als in romanischen Sprachen. Man denke etwa an Wörter wie das deutsche „Sprung“ oder das englische „spring“. Hier befinden sich am Wortanfang drei Konsonanten, die beim buchstabierenden Aussprechen in eine Reihe gebracht werden müssen. Zum anderen gibt es gerade im Englischen auch noch das Problem der „stummen Buchstaben“. So müssen englischsprachige Kinder darauf achten, dass zum Beispiel das geschriebene Wort „sign“ wie „sein“ ausgesprochen wird. Abgesehen davon, dass „i“ in der Aussprache zu „ei“ wird (was auch nicht regelmäßig geschieht), fällt das „g“ in der Aussprache ganz weg. Im Finnischen dagegen gibt es eine hohe Entsprechung zwischen einem Buchstaben und einem Laut. Ein Buchstabe „e“ ist immer ein Laut „e“, ein Buchstabe „g“ immer ein Laut „g“ usw.
Der Bioinformatiker Mark Pagel, der sich an der University of Reading mit der Evolution von Sprachen beschäftigt hat und die Studie von Seymour und seinen Kollegen kommentiert hat, bemerkt die Ironie, die darin liegt, dass ausgerechnet die Weltsprache Englisch von den europäischen Sprachen am schwersten zu lesen ist. Er weist darauf hin, dass sich die hohe Verbreitung des Englischen in der Welt einem historischen Zufall verdankt und nicht etwa einer linguistischen Überlegenheit.