Amerikanische Wissenschaftler haben in verschiedenen Teilen des Gehirns ausgewachsener Ratten eine Neubildung von Nervenzellen ausgelöst. Das gelang mithilfe eines Wachstumsfaktors, der entweder direkt ins Gehirn gespritzt oder nach einer Gentherapie von Hirnzellen gebildet wurde. Die im Journal of Neuroscience veröffentlichten Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass im Gehirn die Neubildung abgestorbener Zellen angeregt werden kann.
Marla Luskin und ihre Mitarbeiter von der
Emory University in Atlanta und der Firma
Regeneron Pharmaceuticals untersuchten die Wirkung des Wachstumsfaktors BDNF (brain-derived neurotrophic growth factor) auf die Hirnzellen ausgewachsener Ratten. Wachstumsfaktoren sind Signalproteine, die durch Bindung an Rezeptoren ihrer Zielzellen deren Wachstum regulieren. Die Wissenschaftler injizierten BDNF in die seitlichen Hirnkammern der Tiere. Nach etwa drei Wochen konnten sie neu gebildete Neuronen in verschiedenen Teilen des Vorderhirns nachweisen, unter anderem im Thalamus und Hypothalamus, wo eine Neubildung von Neuronen bisher noch nie beobachtet wurde. Aus ihren Untersuchungen schließt Luskin, dass “das adulte Vorderhirn eine ausgeprägtere Fähigkeit zur Bildung neuer Neuronen hat, als bisher angenommen”.
Die Arbeitsgruppe von Steven Goldman von der Cornell University in Ithaca dagegen übertrug das Gen für BDNF mithilfe von Adenoviren in Hirnzellen von Ratten. Diese Gentherapie bewirkte eine verstärkte Produktion des Wachstumsfaktors im Hirngewebe. Den Forschern gelang der Nachweis neu entstandener Neuronen im Striatum, einer Gehirnregion, die Bewegungsabläufe kontrolliert. Die Zellen blieben mindestens zwei Monate lebensfähig. “Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass durch eine virale Gentherapie Neuronen im Zentralnervensystem ersetzt werden könnten”, sagt Goldman.
Bei den Hirnerkrankungen Alzheimer und der Huntington-Krankheit wird in Teilen des Gehirns zu wenig BDNF gebildet und Nervenzellen sterben ab. Die Forscher hoffen, die jetzt nachgewiesene Wirkung des Wachstumsfaktors für eine Therapie bei degenerativen Gehirnerkrankungen nutzen zu können. Noch ist aber nicht nachgewiesen, ob die neu entstandenen Nervenzellen die Funktion abgestorbener Neuronen übernehmen können, und wie lange sie lebensfähig bleiben.
Joachim Czichos