Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Kannibalismus als Zeichen der Liebe

Geschichte|Archäologie

Kannibalismus als Zeichen der Liebe
Kannibalismus gilt gemeinhin als barbarischer, aggressiver und erniedrigender Akt. Bei den Wari, einem Volksstamm des Amazonas Beckens, verbergen sich dahinter aber auch Zuneigung und Respekt. Das belegen die Untersuchungen der Anthropologin Beth A. Conklin von der Vanderbilt Universität in Texas.

Bis in die 60er Jahre praktizierten die Wari zwei verschiedene Formen von Kannibalismus. In Kriegszeiten aßen sie ihre Feinde, um damit Zorn und Verachtung auszudrücken. Die andere Form, ein Bestattungsritus für verstorbene Gruppenmitglieder, verbanden die Wari hingegen mit dem Gefühl von Zuneigung und Fürsorge. Der Brauch half den Angehörigen zudem über Schmerz und Trauer hinweg.

Der traditionelle Bestattungsritus der Wari weicht von den bekannten Erklärungsmodellen des Kannibalismus ab. Bisher wurde das seltene Verhalten mit dem Mangel an eiweißreicher Nahrung begründet oder mit dem Verlangen, die Kraft, den Mut oder andere Eigenschaften der Toten zu erwerben. In anderen Fällen interpretiert man es als Form von Aggression und Dominanz oder als den Versuch den Verstorbenen im Diesseits zu halten.

„Ältere Menschen, die die traditionelle Bestattungsform von früher kennen“, berichtet Conklin, „empfinden es als würdelos, den Leib eines geachteten Verstorbenen im Schmutz zu vergraben und ihn dort verrotten zu lassen.“ Das Urwaldvolk sieht im Körper den Sitz der Persönlichkeit. Sie glauben, es sei wichtig den Körper zu transformieren und damit das Andenken des Verstorbenen zu wandeln. Bei der Trauerarbeit spielt die Erinnerung eine tragende Rolle. So wird alles was an den Toten erinnert zerstört: Man verbrennt die Habseligkeiten und das Haus des Toten. Der Name wird nicht mehr ausgesprochen und die Aufenthaltsorte des Toten werden verändert. Die Maßnahmen sollen dazu dienen, die Verbindung von Toten und Lebendigen zu lösen und alles zu vernichten, was den Geist des Verstorbenen anlocken könnte.

Nach der Weltanschauung der Wari geht der Geist der Toten in die Unterwelt ein. Er kehrt später in den Körper eines Pekaris zurück. Diese wildschweinartigen Tiere stellen die wichtigste Fleischquelle des Volkes dar. Um die Versorgung ihrer Angehörigen zu sichern, suchen die „Ahnentiere“ die Jäger der eigenen Familie auf und bieten sich als Jagdtrophäe dar.

Anzeige
Brigitte Kranz
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Jams|wur|zel  〈f. 21〉 Wurzel einer kartoffelähnl. Gattung der Kulturpflanzen, die in den Tropen als Nahrungsmittel dient: Dioscorea; oV Yamswurzel … mehr

Ge|nom|for|schung  〈f. 20〉 = Genomik

En|kul|tu|ra|ti|on  〈f. 20; Soziol.〉 das Hineinwachsen in die Gesellschaft (als sozialkultureller Prozess) [<grch. en … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige