Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Forscher halten Gentherapie zur Behandlung von Phantomschmerzen für möglich

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Forscher halten Gentherapie zur Behandlung von Phantomschmerzen für möglich
Chronische Schmerzen, zu denen auch die Phantomschmerzen gerechnet werden können, sind „erlernte“ Schmerzen. Diese These vertreten Wissenschaftler des University of Rochester Medical Center. Ihnen zufolge beginnt der Schmerz sich in den Nervenzellen des Gehirns und des Rückenmarks zu entwickeln. Für die Übertragung der Schmerzsignale haben sie eine Komponente ausgemacht, die in Zukunft durch Gentherapie ausgeschaltet werden könnte. Über ihre Erkenntnisse berichten sie in der Zeitschrift Anesthesiology.

Es gibt guten Schmerz und schlechten Schmerz, sagt Jay Yang, Professor für Anästhesiologie. „Guter Schmerz – obwohl wir diesen Schmerz eigentlich nicht als ‚gut‘ empfinden – ist jene Erfahrung, die wir alle schon gemacht haben. Wir schneiden uns, und es tut weh, oder wir kommen an etwas Heißes und ziehen die Hand weg. Das hilft uns zu überleben und schützt uns. Schlechter Schmerz dagegen ist pathologischer Schmerz, der auch dann noch bleibt, wenn die Verletzung verheilt ist. Dieser Schmerz hat keinen tieferen Sinn.“ Yang und seine Kollegen haben festgestellt, dass dieser schlechte Schmerz, der oft mit einem bestimmten Ereignis, etwa einer Amputation, beginnt, sich in den Nervenzellen bildet wie eine Erinnerung.

Schon länger wissen Neurowissenschaftler, dass die Neuronen des Gehirns die Erinnerung an beispielsweise ein vertrautes Gesicht bilden, indem die entsprechenden Neuronen sich, je öfter das Gesicht gesehen wird, immer enger zusammenschließen. Dadurch wird die Möglichkeit verstärkt, Signale von einem Neuron zu einem anderen zu schicken. Dies ist vergleichbar mit der Kommunikation zwischen engen Freunden, die auf Grund ihrer Vertrautheit miteinander sich allein schon durch ein Nicken oder einen Blick verständigen können.

Bei der Entstehung des Schmerzes, der zum Beispiel auf einer Amputation beruht, kommt es den Forschern zufolge zu einer gewaltigen Entladung elektrischer und chemischer Energie im Nervensystem. Dadurch wiederum registrieren die Nerven im Rückenmark Schmerzsignale, auch wenn es keine physische Ursache mehr für den Schmerz gibt. Tatsächlich muss auch keine Gliedmaße mehr vorhanden sein, um das Schmerzgefühl zu übermitteln.

„Wir glauben nicht mehr, dass der Schmerz im beschädigten Gewebe entsteht, sondern dass er sich im zentralen Nervensystem, im Rückenmark und im Gehirn bildet“, sagt Yang.

Anzeige

Für eine Therapie dieses Schmerzes sehen Yang und seine Kollegen Proteine als Angriffspunkte an. Denn Dutzende von Proteinen seien bei der Übermittlung der Schmerzsignale beteiligt. Zusammen mit seinem Kollegen Christopher Wu konzentrierte sich Yang besonders auf eine Komponente namens Proteinkinase C (PKC). Aus früheren Mäuseversuchen anderer Wissenschaftler wissen sie, dass Mäuse, denen PKC fehlt, keine Phantomschmerzempfindungen zeigen.

Bis eine Eliminierung des PKC beim Menschen in Angriff genommen werden kann, wird es noch ein weiter Weg sein. Doch schon jetzt beschäftigt sich Yang mit der Verringerung einer bestimmten Form von PKC. Aus Rattenversuchen weiß er bereits, dass die Tiere, die ein geringeres Aufkommen dieses Typs von PKC aufweisen, weniger pathologische Schmerzen haben.

Die Ursachen für Phantomschmerzen sind in der Forschung bis heute umstritten. Doch dass der Schmerz im Gehirn entsteht, nehmen auch andere Theorien an. Vor einigen Jahren berichteten Forscherteams im Fachmagazin Science (Bd. 282, Nr. 5319, S. 1117) von der Beobachtung, dass sich Nervenbahnen stark umorganisieren können, wenn von bestimmten Körperregionen keine Signale mehr ans Gehirn gesendet werden. Bei Untersuchungen von handamputierten Makaken-Affen fanden die Wissenschaftler, dass im sensorischen Zentrum diejenigen Areale stark zurückgedrängt waren, die normalerweise die Handflächen oder die Finger repräsentieren. Durch diese Umbauten im Gehirn könnten Phantomschmerzen entstehen.

Doris Marszk
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Po|ly|me|ri|sa|ti|on  〈f. 20; Chem.〉 Zusammentritt von mehreren Molekülen eines Stoffes zu einer neuen Verbindung, deren Molekulargewicht ein ganzzahliges Vielfaches von dem des Ausgangsstoffes beträgt; Sy Polymerisierung … mehr

Amor Fa|ti  〈m.; – –; unz.; Philos.; bei Nietzsche〉 Bejahung des Notwendigen, Unausweichlichen [lat.; ”Liebe zum Schicksal“]

Geo|phon  〈n. 11〉 = Geofon

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige