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Die Deutschen und ihr Sauerkraut ? wie kulturelle Stereotype entstehen

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Die Deutschen und ihr Sauerkraut ? wie kulturelle Stereotype entstehen
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"The Germans eating Sour Krout"
Die Deutschen ernähren sich ausschließlich von Sauerkraut, die Franzosen sind modebewusst und eitel, die Holländer denken nur an Profit. Stereotype über kulturelle Wesensmerkmale ganzer Völker kursieren seit Jahrhunderten in der Welt, manche haben sich bis auf den heutigen Tag gehalten. Eine Münsteraner Volkskundlerin unternimmt jetzt den Versuch, anhand von englischen Karikaturen und Gebrauchsgrafiken aus dem 18. Jahrhundert, der Entstehung von Stereotypen nachzuspüren. Das Projekt mit dem Titel „Stereotyp und Bildmedium“ steht unter der Leitung von Ruth-Elisabeth Mohrmann vom Seminar für Volkskunde / Europäische Ethnologie der Universität Münster.

Für ihre Arbeit hat Silke Meyer, Doktorandin am Seminar für Volkskunde in Münster, eine besonders ergiebige Quelle gefunden: Im British Museum in London sind weit über 10.000 Gebrauchsgrafik-Blätter aus mehreren Jahrhunderten zu finden. Sie wählte das 18. Jahrhundert als Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen, weil damals die Entwicklung der Nationalstaaten einsetzte. Außerdem befand sich England von 1700 bis 1800 über 75 Jahre lang im Krieg mit wechselnden Gegnern, was der Produktion von Karikaturen nur förderlich war. Hinzu kommt, dass die englische Druckgrafik schon damals sehr weit entwickelt war.

Die Karikaturen und anderen Gebrauchsgrafiken untersuchte Meyer nach festgelegten Kriterien. Die dargestellte Kleidung, Nahrung, der Gesichtsausdruck, die Körper und die Körperhaltungen der abgebildeten Personen und immer wieder auftauchende Merkmale geben Auskunft darüber, wie die Engländer ihre Nachbarn sahen.

Die Holländer waren nach dem Dreißigjährigen Krieg zu ernsthaften Wirtschaftskonkurrenten der Engländer geworden. Daher kommen sie am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts in den Grafiken besonders schlecht weg. In späteren Kriegen verübelten die Briten ihnen auch, dass sie sich neutral verhielten und sich auf den Handel konzentrierten. In den meisten Karikaturen wird der Holländer als eine feiste, stämmige Figur gezeichnet, breitbeinig und mit den Händen in den Hosentaschen. Als ständiges Attribut taucht eine Pfeife auf.

Bei der Darstellung der Franzosen lässt sich ein Wandel erkennen: Vor der Revolution von 1789 werden Franzosen als eitel und modesüchtig dargestellt. Man porträtierte sie mit zierlicher Körpergestalt und spitzem Gesichtsausdruck. Nach der Revolution erscheinen die Franzosen den Engländern als verhärmt, verkniffen und verwahrlost.

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Bei den Karikaturen der Deutschen fällt auf, dass es hier kein Bündel von Stereotypen gibt wie bei den Darstellungen der anderen Völker. Nur Sauerkraut und Federbett tauchen als einzige feststehende Attribute auf (s. Abbildung von Sauerkraut essenden Deutschen). Dies erklärt Meyer zum einen dadurch, dass Deutschland in dieser Zeit noch nicht zu einem Staat zusammengewachsen war, und zum anderen mit der überwiegend positiven Haltung der Engländer gegenüber den Deutschen. Durch die dynastischen Beziehungen zwischen England und Hannover ? seit Georg I. 1714 den Thron bestiegen hatte, war der Kurfürst von Hannover König von England ? waren die Engländer den Deutschen gegenüber sehr freundlich eingestellt.

Die Bedeutung der Gebrauchsgrafiken für das Alltagsleben im 18. Jahrhundert ist nicht zu unterschätzen. Sie wurden häufig in Alben gesammelt, sie schmückten die Wände des Bürgertums und sogar ärmlicher Haushalte und dienten als Ausgangspunkt politischer Diskussionen. Sie wurden in Läden und auf der Straße verkauft und zum Teil auch von der Regierung selbst unters Volk gebracht.

Doris Marszk
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