Eine neu konzipierte Ersatzlinse soll Patienten mit Grauem Star ermöglichen, wie mit einem gesunden Auge von nah bis ferne scharf zu sehen. Bisher ermöglichen die künstlichen Linsenimplantate, die den Erkrankten die eigene, eingetrübte Linse ersetzen, nur eine einzige Schärfenebene, meist in rund zwei Metern. Zum Lesen etwa braucht es eine Extrabrille. So genannte Multifokus-Implantate geben immerhin mehrere feste Schärfeebenen vor. Doch die frisch patentierte Neuentwicklung aus den USA soll das selbe Schärfespektrum liefern wie eine junge, gesunde natürliche Linse.
Eine kleine Veränderung der Form ergibt eine große Verschiebung der Schärfeebene, erklärt Jin-Hui Shen, Augenspezialist an der
Vanderbilt University. Sein Implantat besteht aus sechs Einzellinsen, die sich wie Blütenblätter überlappen. Eingesetzt in die frei gewordene Linsenkapsel des Auges, reagiert das System auf die Bewegungen des Augenmuskels. Entspannen sich die Muskeln, so drücken sie auf die Ränder der Kapsel und schieben die Einzellinsen damit stärker übereinander. Der Patient kann damit nähere Objekte scharf sehen. Ziehen sich die Muskeln zusammen, ziehen sie auch an den Kapselrändern und die Einzellinsen weiter auseinander und fokussieren auf größere Entfernungen.
Laut Shens Berechnungen lässt sich damit ein Schärfespektrum über zehn Dioptrien erreichen. Patienten mit diesen Implantaten könnten damit auf Brillen verzichten. Die Operation gliche der üblichen Prozedur bei Grauem Star. Nach den Laborversuchen muss Shen nun die ersten Linsen für tatsächliche Implantationen bauen – klinische Tests sind in frühestens 18 Monaten zu erwarten, berichtet das Magazin New Scientist.
Dörte Saße
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