Seide aus der Natur, ganz ohne Seidenraupen oder Spinnen: Deutschen Forschern ist es gelungen, das Seidenprotein von Pflanzen produzieren zu lassen. Nach genetischer Veränderung erzeugten Tabak- und Kartoffelpflanzen das fremde Protein in ihrem Gewebe, berichtet jetzt das Fachblatt Nature Biotechnology. Die Pflanzen könnten das Seiden-Eiweiß bis zu zehnmal billiger herstellen als gen-veränderte Bakterien und liefern damit einen begehrten Rohstoff für künftige HighTech-Gewebe.
Die Hürde liegt nun darin, die Proteine so zu verarbeiten, wie es Spinnen und Raupen mühelos gelingt: Leicht wie Federn, elastischer als Nylon und stabil wie Stahlseile sind Seidenfäden. Dies fasziniert nicht nur Ingenieure und Materialforscher, auch andere Einsatzgebiete sind möglich: “Spinnen-Eiweiß verursacht bei Menschen keine allergischen Reaktionen – es ist deshalb für eine Anwendung in Medizin und Forschung hervorragend geeignet”, erklärt Udo Conrad vom
Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. Sein Team hatte ins Erbgut der Pflanzen bestimmte Gene der Goldseidenspinne oder Goldnetzspinne
(Nephila clavipes) integriert.
Die Seidenproteine machen bis zu zwei Prozent aller Proteine in den Pflanzen aus. Im Gegensatz zur Seidenprotein-Produktion in Bakterienkulturen müssen die Pflanzen nicht mit relativ teuren Aminosäuren Alanin und Glyzin, den Grundsubstanzen des Proteins, “gefüttert” werden – sie können sie im eigenen Stoffwechsel selbst herstellen.
Die Proteine sind wasserlöslich und sehr hitzebeständig. Dies nutzen die Forscher, um sie aus dem Gewebe herauszulösen und von den anderen Pflanzenproteinen zu trennen. Die relativ große “Erntemenge” ermöglicht nun intensives Forschen daran, wie die Spinndrüsen der Insekten sich technisch nachbilden lassen.
In Sachen Stabilität reichen bisher nur wenige Kunstfasern an Spinnenseide heran, darunter Kevlar-Fasern, die man in schusssicheren Westen verarbeitet. Die Elastizität der Spinnenseide jedoch fehlt dem Kevlar.
Dörte Saße