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Große Gläser, gierige Trinker

Gesellschaft|Psychologie Kommentare

Große Gläser, gierige Trinker
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Wer Wein aus großen Gläsern trinkt, stürzt ihn schneller hinunter und bestellt öfters nach, besagt eine Studie. (Foto: Jose Antonio Revidiego Pavon/iStock)
Britische Forscher haben in beneidenswertem Laborambiente eine experimentelle Studie durchgeführt: In einem Restaurant in Cambridge testeten sie, wie viel Wein die Gäste konsumieren, wenn das Viertel in einem größeren Glas als üblich kredenzt wird. Ihr Ergebnis: Bekamen die Gäste dieselbe Menge Wein in einem größeren Glas, bestellten sie öfter nach. Könnte demnach die Größe des Glases den Alkoholkonsum beeinflussen? Nein, meinen die Forscher, denn das Ergebnis sei noch nicht valide. Es sagt auch mehr über unsere Gier aus, als dass es hilft, uns zu gesünderen Menschen zu machen. Und am Ende profitieren andere.

Rauchen, Stress, Trägheit, Bauchspeck, Alkohol – die Liste der Risikofaktoren für unsere Gesundheit ist lang. Aber das wirklich Schlimme daran: Es ist so verdammt anstrengend, Essen, Trinken und Nichts-Tun nur in Maßen zu genießen. Gute Ratschläge für ein gesundes Leben ändern da auch nicht viel daran. Dass Rauchen ungesund ist oder zu viel Alkohol – die Info haut keinen mehr vom Hocker, macht aber auch keinem den Glimmstängel oder den Maßkrug madig. Aber was wäre, wenn wir es gar nicht merken würden? Wenn wir sozusagen automatisch abstinent würden. Könnte klappen, wie Forscher der University of Cambridge in einem Experiment herausgefunden haben.

Dafür suchten sich die Wissenschaftler eine geeignete Versuchsumgebung, ein Abendlokal in Cambridge. 16 Wochen lang ließen die Verhaltenspsychologen Rachel Pechey und Theresa Marteau dort den Wein in größeren und auch kleineren Gläsern als üblich ausschenken. Die Standardmengen sind 125 und 175 Milliliter, die normalerweise in einem Glas für 300 Milliliter ausgegeben werden. Für den Versuch ließen die Forscher den Wein mal in Standard-Gläsern servieren und mal in solchen mit einer Füllmenge von 370 oder 250 Millilitern. Am Ende zeigte sich: Kommt der Wein in 370-Milliliter-Gefäßen auf den Tisch, verkaufte das Restaurant fast zehn Prozent mehr davon als sonst, da öfter nachbestellt wurde.

Ein Ergebnis ist kein Ergebnis

„Es ist nicht klar, warum das der Fall ist“, sagt Rachel Pechey. „Aber ein Grund könnte sein, dass größere Gläser unsere Wahrnehmung von der wirklichen Menge Wein ändern. Was dazu führt, dass wir schneller trinken und mehr nachbestellen.“ Die Forscher wollen zudem nicht ausschließen, dass die Gäste schlicht aus Unzufriedenheit noch einmal nachschenken lassen – weil das Glas nicht gut gefüllt war. Selbst wenn das dann mehr kostet.

Dass kleinere Gläser das Gegenteil bewirken, gab das Experiment allerdings nicht her. Zudem stellen die Forscher klar, dass eine einzelne Versuchsreihe nicht ausreicht, um valide Ergebnisse zu erhalten. Ein ähnliches Fazit zieht auch das Cochrane Institute in London, das eine Metaanalyse von 72 Studien zum Thema durchführte.

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Bislang sagen die Forschungsergebnisse also wenig darüber aus, ob kleinere Gefäße uns zu besonneneren Trinkern machen. Sondern: Wenn uns das Gefühl beschleicht, wir bekämen im Großen zu wenig, dann wollen wir mehr. Pecheys und Marteaus Studie zeigt also, wie sehr uns die Gier antreibt.

Kann Gier auch nutzen?

Wie schön wär’s da doch, wenn unser gieriges Verhalten zu etwas nutze wäre. Ungefähr in der Art: Größere Bürgersteige bringen uns dazu, mehr zu Fuß zu gehen. Oder größere Parkflächen machen mehr von uns zu Frischluftfanatikern. Größere Fußabstreifer halten Kinder dazu an, keinen Dreck mehr in die Wohnung zu tragen – zur Freude ihrer Mütter. Nun ja, wahrscheinlich ist das zu optimistisch. Klappen wird das eher nicht.

Die einzigen die also bislang von den Studienergebnissen aus Cambridge profitieren, sind die Gastronomen. Versprechen größere Gläser doch größeren Umsatz und den Gästen einen größeren Rausch – und zugleich einen dünneren Geldbeutel. Bleibt also zu hoffen, dass nicht allzu viele Wirte die Studie aus Cambridge lesen – und vielleicht noch eine Gier aufs liebe Geld entwickeln.

Quelle:

© wissenschaft.de – Karin Schlott
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