Am Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge ist es gelungen, eine RNA herzustellen, die ohne Beteiligung eines Proteins die Replikation anderer RNA-Moleküle katalysiert. Die in der Zeitschrift Science veröffentlichten Ergebnisse stützen die Theorie, nach der es ein nur auf RNA basierendes Stadium in der Evolution des Lebens gegeben haben könnte.
Das Leben, wie wir es heute kennen, beruht auf dem Zusammenspiel zweier Arten von Molekülen: den Nukleinsäuren als Träger der genetischen Information und den Proteinen, die als Enzyme, das sind Biokatalysatoren, die identische Replikation von DNA und andere chemische Reaktionen ermöglichen. In den achtziger Jahren wurden „Ribozyme“ entdeckt. So nannte man RNA-Moleküle, die auch enzymatische Eigenschaften besaßen. Dieser Befund begründete eine neue Theorie, nach der in einer urzeitlichen „RNA-Welt“, RNA-Moleküle sowohl Träger der genetischen Information waren als auch ihre eigene Replikation katalysierten.
Jetzt haben David Bartel und seine Mitarbeiter eine aus 189 Nukleotiden bestehende RNA hergestellt, die die Bildung komplementärer Kopien von beliebigen, bis zu 14 Nukleotiden langen RNA-Molekülen ermöglicht. Die Genauigkeit dieser Protein-unabhängigen RNA-Replikation ist mit 98,5 Prozent allerdings deutlich schlechter als die heutiger RNA-Polymerasen, die mit 99,99-prozentiger Genauigkeit arbeiten. Die bisher beschriebenen Ribozyme hatten eine noch größere Fehlerrate und konnten nur kürzere RNS-Moleküle bestimmter Sequenzen replizieren.
Bartel hofft, durch Veränderung der Reaktionsbedingungen noch längere RNA-Moleküle herstellen zu können. Der Nachweis der kompletten Selbstreplikation eines Ribozyms sei aber mit diesem System wahrscheinlich nicht möglich. Er glaubt, dass es eine noch frühere Stufe des Lebens gegeben haben muss, die darauf basierte, dass andere chemische Verbindungen ihre eigene Synthese katalysierten.
Joachim Czichos