„Mit Hilfe des Capgras-Syndroms können wir überprüfen, wie Gesichter und andere Gegenstände erkannt werden. Zudem lernen wir, diese Prozesse zu verstehen,“ sagen Ellis und Lewis. So zeigt das Syndrom nicht einfach die Unfähigkeit, ein Gesicht zu erkennen. „Das wesentliche Paradoxon ist, dass Patienten mit dem Capgras-Syndrom ein Gesicht erkennen aber gleichzeitig seine Echtheit leugnen,“ so die Autoren der Studie. Sie schließen aus ihren Beobachtungen, dass für die normale Gesichterkennung zwei Schritte vollzogen werden. „Das Capgras-Syndrom hat uns geholfen zu verstehen, dass die Gesichtserkennung zweispurig funktioniert: Das Wiedererkennen eines Gesichtes läuft entlang einer anderen Strecke, als die Emotionalen Assoziationen zu dem Gesicht,“ sagte Lewis weiter.
Das Capgras-Syndrom ist eine cerebrale Erkrankung, bei der die Betroffenen ihnen nahe stehende Personen, wie etwa die eigenen Eltern oder Ehepartner, nicht mehr erkennen und für Doppelgänger der bekannten Personen halten. Dabei sind weder ihre intellektuellen Fähigkeiten beeinträchtigt, noch leiden sie unter Verfolgungswahn. Ursache des Capgras-Syndroms ist eine Schädigung der rechten Großhirnhemisphäre (hauptsächlich des seitlichen vorderen Bereiches und des unteren Schläfenlappens). Wahrscheinlich fehlen beim Betrachten oder Erinnern eines vertrauten Gesichtes die Emotionen – mangelt es an einer emotionalen Assoziation, werden die Patienten verunsichert und versuchen eine Erklärung für den Ausfall zu finden ? etwa dass die Gesichter zwar denen bekannter, vertrauter Menschen ähneln, aber nicht ihnen, sondern fremden Doppelgängern gehören, denen gegenüber man keine emotionale Nähe verspürt. Solche Rationalisierungen spielen sich hauptsächlich in der linken Gehirnhälfte ab, werden aber als wirklich angesehen, wenn die Zensurfunktion der rechten Gehirnhälfte, wie es hier der Fall ist, ausfällt.