Erstaunliche Ergebnisse haben die Biopsychologen der Ruhr-Universität Bochum als Zieheltern von acht kleinen Elstern erzielt, die zu den Rabenvögeln gehören. Der Ruf dieser ja auch sprichwörtlich schlauen Vögel wurde mehr als bestätigt: Elstern können schon sehr früh gezielt nach einem Gegenstand suchen, den man vor ihnen versteckt. Sie erreichen dabei eine Leistungsstufe, die sonst nur Menschen, Menschenaffen und Hunde erreichen. Aber nicht nur das: Sie scheinen sich auch selbst im Spiegel zu erkennen. Das Wissenschaftsmagazin der Universität, „Rubin“, berichtet darüber in seiner neuesten Ausgabe.
Elstern suchen vor ihnen versteckte Objekte selbst dann erfolgreich, wenn das Objekt von einem Versteck in ein anderes gebracht worden ist, ohne auf dem Wege dahin sichtbar zu sein. Die Fähigkeit zur so genannten Objektpermanenz brauchen die Elstern dringend zum Überleben. Sie horten nämlich Futter in Verstecken und müssen es dort wiederfinden. Wenn junge Vögel nach zehn Wochen ihr eigenständiges Leben beginnen, sind sie darin schon Meister.
Zu den hervorstechenden Eigenschaften der Elstern gehört auch ein komplexes Sozialverhalten. So erkennen sie ihre eigenen Artgenossen individuell. Ausgeklügelte Bochumer Experimente mit einem Spiegel machten zudem einen erstaunlichen Grad von Selbstwahrnehmung deutlich. Im Unterschied etwa zu Wellensittichen, die auch nach Jahren einen Spiegel in ihrem Käfig noch als Artgenossen behandeln, zeigten sich die Elstern dem Spiegelbild gegenüber neugierig und erkundend. Das selbstbezogene Verhalten markierter Elstern vor einem Spiegel legt den Schluss nahe, dass sie im Spiegelbild ihren eigenen Körper wahrnehmen.
Wie ein Mitglied des Bochumer Teams, der Verhaltensforscher Helmut Prior, im Gespräch mit dpa sagte, sind die Leistungsfähigkeiten von Vögeln bis vor kurzem unterschätzt worden. Das gilt vor allem für das Gedächtnis. Er verwies hier auf neuere Untersuchungen der Briten Nicola Clayton und Anthony Dickinson. Sie zeigten, dass sich ein Rabenvogel, der Blauhäher, mehrere Dinge gleichzeitig merken kann. Also etwa nicht nur den Ort, an dem es Futter gibt, sondern auch, wann und was für Futter dort versteckt wurde. Dies ermöglicht eine flexible Nutzung.
Andere von Prior erwähnten Forschungsergebnisse zeigen die immense Gedächtnis-Kapazität mancher Arten. Wie die Amerikaner Alan Kamil und Russel Balda gezeigt haben, scheint sie bei den Hähern im Bereich von vielen tausend Orten zu liegen, die einzeln gemerkt werden können. Vergleichbare Leistungen sind von Säugetieren nicht bekannt. Die haben indessen andere Stärken.
Ein Grund dafür, warum Vögel so lange unterschätzt wurden, ist, dass der Aufbau ihres Gehirns sich sehr von dem der Menschen und Säugetiere unterscheidet. Vermutlich werden die Leistungen, die hier von der Großhirnrinde vollbracht werden, im Vogelgehirn von anderen und anders zusammengeschalteten Instanzen ausgeführt. Es ist damit ebenfalls sehr hoch organisiert.
Die Art seiner Leistungen unterscheidet sich bei den verschiedenen Vogelarten. Der Motor für die Entwicklung der enormen Lernfähigkeit war vermutlich die Tatsache, dass sie den Rabenvögeln viel Vorteile bringt. Zum Vergleich nannte Prior die Brieftaube, die andere Fähigkeiten besonders entwickelt hat: Sie kann sich zwar nur wenige Futterplätze merken, vollbringt aber eine erstaunliche Orientierungsleistung.
dpa