Radarmessungen am Siple Dome, einer Erhebung in der Nähe des Ross-Eisschelfs, deuten darauf hin, dass diese Erhebung in der Vergangenheit nicht von einem massiven Eisschild überdeckt war. Wenn sich das als richtig herausstellen sollte, dann waren alle Annahmen über die Größe des Westantarktischen Eisschildes während des letzten Eiszeitmaximums vor 20.000 Jahren falsch. Man nahm an, dass das Eisschild damals dreimal so groß war wie heute.
Logische Konsequenz: Wenn das Eisschild damals kleiner war als bisher angenommen, dann ist es, um auf seine heutige Größe zu schrumpfen, langsamer geschmolzen als man bisher dachte. „Unsere frühere Schätzung, derzufolge das Westantarktische Eisschild mit einem Millimeter pro Jahr zum weltweiten Meeresspiegelanstieg beiträgt, sind mit ziemlicher Sicherheit zu hoch“, sagt Bindschadler.
Eine weitere Ungereimtheit ergibt sich aus Rekonstruktionen der vergangenen Meeresspiegelhöhe. Demnach stieg der Meeresspiegel, bevor das Westantarktische Eisschild zu schmelzen begann. Neuere geologische Untersuchungen deuten laut Bindschadler darauf hin, dass das Schmelzen des Eisschildes sehr viel mehr von der geologische Beschaffenheit seines Untergrundes abhängt als von Klimaänderungen.
Die auf der Tagung präsentierten Ergebnisse haben offenbar mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Insgesamt gibt Bindschadler sich jedoch beunruhigt: „Wenn das Eisschild auf seinem gegenwärtigen flachen Untergrund seinen Halt verliert, dann könnte es sehr schnell vollständig abschmelzen.“ In dem Fall würde der Meeresspiegel um fünf bis sechs Meter steigen.
Axel Tillemans