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Britisches Parlament erlaubt Klonen von Embryos

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Britisches Parlament erlaubt Klonen von Embryos
Das britische Parlament hat einem Gesetz zugestimmt, mit dem das Klonen von Embryos für therapeutische Zwecke erlaubt wird. Großbritannien wird damit das erste Land Europas sein, in dem bis zu 14 Tage alte Embryos geklont werden dürfen. Die embryonalen Stammzellen sollen vor allem dazu dienen, neues gesundes Gewebe für schwer kranke Patienten herzustellen. Das Klonen von Menschen soll weiterhin verboten bleiben.

Die Abgeordneten stimmten mit 366 gegen 174 Stimmen der Gesetzesänderung zu. Der Fraktionszwang war aufgehoben worden. Das Gesetz muss jetzt auch noch die Hürde des Oberhauses (House of Lords) passieren.

Schröder gegen grundsätzliche Verbote in der Gen-Forschung

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich gegen „ideologische Scheuklappen und grundsätzliche Verbote“ in der Gen-Forschung ausgesprochen. In einem Grundsatzartikel für die Hamburger Wochenzeitung „Die Woche“ nannte er eine solche Politik unverantwortlich. „Eine Selbstbescheidung Deutschlands auf Lizenzfertigungen und Anwenderlösungen würde im Zeitalter von Binnenmarkt und Internet nur dazu führen, dass wir das importieren, was bei uns verboten, aber in unseren Nachbarländern erlaubt ist.“

Der SPD-Vorsitzende fügte hinzu, Deutschland würde dann „nicht nur den Anschluss an eine Spitzen- und Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts verlieren“, sondern sich auch der Möglichkeit begeben, „über die Anwendungen und Folgen dieser Techniken kompetent mitzubestimmen“. Die Bevölkerung habe ein Anrecht darauf, dass Gefahren für Mensch und Umwelt ausgeschlossen würden. So müsse verhindert werden, dass Menschen gezüchtet oder genetisch selektiert würden. Aber die Menschen hätten auch einen Anspruch darauf, dass ihnen die Politik Wege eröffne, „am Fortschritt teilzuhaben und ihre Lebensumstände zu sichern und zu verbessern“.

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Schröder betonte, deutsche Forscher sollten „auch bei der Funktionsanalyse des menschlichen Genoms entscheidend mitwirken“, um die Entstehung von Krankheiten zu erforschen. Zum Streit um „Patente auf Leben“ schrieb er, die Forschungs- und Entwicklungskosten der Biotechnologiefirmen seien enorm „und nur bei angemessenem Rechtsschutz rentabel“. Natürlich müssten bei der Patentierung „klare ethische Grenzen“ gelten. Weder der Körper in den einzelnen Phasen seiner Entwicklung noch die bloße Entdeckung eines Gens könnten patentiert werden. Patente dürften jedoch „in Verbindung mit einer bekannten, vom Erfinder ermittelten Funktion, die zu einem neuen Produkt oder neuen Verfahren führt, erteilt werden“.

Das Embryonenschutzgesetz von 1990 müsse „im Lichte der rasanten gentechnischen und medizinischen Entwicklung“ überprüft werden, erklärte Schröder. Diskutiert werden müsse auch, „ob es für uns Gründe gibt, die in vielen EU-Ländern bereits praktizierte Präimplantationsdiagnostik in Deutschland zuzulassen“. Mit der Forschung an embryonalen Stammzellen verbänden viel Forscher große Hoffnungen, Patienten mit Zell- und Organersatz, der vom Körper nicht abgestoßen wird, helfen zu können. Die Herstellung solcher Stammzellen aus Embryonen sei jedoch gesetzlich verboten.

Bevor das Verbot gelockert werde, müssten aber die Möglichkeiten der so genannten „adulten Stammzellen“ aus Organen Erwachsener überprüft werden, betonte der Kanzler. Darin stimme er mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft überein. Schröder unterstrich, dass niemand zu Gentests gezwungen werden, und ein freiwilliger Gentest für niemanden von Nachteil sein dürfe.

Im Streit um die so genannte „grüne Gentechnik“ sprach sich der Kanzler dafür aus, die Umweltauswirkungen des großflächigen Anbaus neu entwickelter Pflanzen in einem „dreijährigen Forschungs- und Beobachtungsprogramm“ zu ermitteln. „Die Unternehmen müssten sich im Gegenzug verpflichten, außerhalb dieses Programms auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu verzichten.“ Der Kanzler befürwortete, einen „nationalen Ethikrat“ nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten einzurichten. Ihm könnten Forscher und Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen angehören, „von den Kirchen über die Sozialpartner bis hin zu Umweltverbänden und Patientenselbsthilfegruppen“.

Klonen von Embryonen und weitere Verfahren mit Stammzellen

Wissenschaftler möchten aus Embryonen Ersatz für zerschlissenes Gewebe schaffen. Sie experimentieren dabei mit geklonten Embryozellen. Andere Forscher versuchen, aus Zellen von Erwachsenen neues Gewebe zu gewinnen. Die Verfahren sollen Alzheimer- und Parkinsonpatienten helfen, ebenso aber auch Diabetikern oder Menschen mit verkümmerten Leberzellen. Geforscht wird unter anderem an folgenden Verfahren:

THERAPEUTISCHES KLONEN MIT EMBRYONALEN STAMMZELLEN:

Wissenschaftler wollen dabei neues Gewebe mit dem Erbgut eines Patienten züchten. Es dürfte von seinem Immunsystem nicht abgestoßen werden. Mit dem ansatzweise im Tierversuch gelungenen Verfahren soll Erbmaterial aus gesunden Zellen eines Patienten in eine zuvor entkernte Eizelle gespritzt werden. Diese teilt sich mehrfach und reift im Labor zu einem frühen Embryo-Stadium (Blastozyste) heran. Die Forscher möchten einzelne Zellen aus dieser Blastozyste dann zu neuem Gewebe heranwachsen lassen. Zu dieser Zeit sind die gewünschten embryonalen Stammzellen nicht ausdifferenziert, sondern können sich noch in viele Gewebe des Körpers entwickeln.

Die Grundlagen des Verfahrens hatten die „Väter“ des Klonschafs Dolly entwickelt. Sie hatten noch einen komplettes Tier hergestellt. Forscher suchen nun jedoch „Schalter“ in diesen Zellen, damit diese nur zu bestimmten Geweben, etwa Nerven- oder Insulin- produzierenden Zellen heranwachsen und nicht zu einem vollständigen Menschen.

KULTUREN VON EMBRYOZELLEN:

Seit kurzem versuchen andere Mediziner zudem, Stammzellen direkt aus Embryonen zu gewinnen und aus ihnen Gewebe und Organe zu züchten. 1997/98 war es US-Forschern erstmals gelungen, aus einem Embryo undifferenzierte Stammzellen zu gewinnen und im Labor in diesem Stadium zu vermehren. Die Zellen teilen sich unentwegt weiter und sollen später einmal die unterschiedlichsten Gewebe produzieren. Auch hier suchen die Forscher noch Schalter, um das Zellwachstum in eine bestimmte Richtung zu lenken.

THERAPIE MIT ABGETRIEBENEN EMBRYONEN:

Mediziner im Ausland setzen in einzelnen klinischen Versuchen schon seit Jahren Embryozellen in das Gehirn von Parkinsonkranken ein. Diese sollen die zurückgebildeten Dopamin- produzierenden Zellen ersetzen.

STAMMZELLEN AUS DEM ERWACHSENEN KÖRPER:

Bislang haben Forscher Stammzellen aus verschiedenen Geweben von ausgewachsenen Tieren umprogrammiert und zu anderen Zellen werden lassen. Viele Forscher denken, damit das Embryonalstadium umgehen zu können. So gelang es aus Stammzellen von Mäusegehirnen unter anderem Herz- und Lebergewebe zu züchten. Aus Knochenmark haben US-Forscher ebenfalls Leber-, aber auch Nervenzellen gebildet.

FORSCHUNG MIT EMBRYONEN UND FÖTEN:

Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken, nicht jedoch die Arbeit damit. Es dürfen jedoch pluripotente Stammzellen aus abgetriebenen oder abgegangenen toten Föten (nach Abschluss der Organanlagen) für die Wissenschaft verwendet werden. Pluripotente Zellen können sich in der Regel nur noch zu einigen Geweben und nicht mehr zu einem ganzen Menschen entwickeln.

Nach Erlaubnis zum Klonen geht britische Debatte weiter

Nach der Entscheidung des britischen Unterhauses, das Klonen von Embryos für therapeutische Zwecke zu erlauben, ist in Großbritannien am Mittwoch die Diskussion mit unverminderter Heftigkeit weitergegangen. Nachdem das Parlament am Vorabend mit 366 gegen 174 Stimmen eine entsprechende Gesetzesänderung gebilligt hat, wollen die Gegner das therapeutische Klonen nun mit Hilfe des Oberhauses (House of Lords) verhindern. Die zweite Kammer des Parlaments hat noch keinen Termin für die Debatte über das Gesetz festgesetzt.

Sofern die Lords zustimmen, wird Großbritannien das erste Land Europas, in dem bis zu 14 Tage alte Embryos geklont werden dürfen. Während Vertreter von Wissenschaftsorganisationen und Patientenverbänden die Entscheidung des Unterhauses begrüßten, zeigten sich Sprecher konservativer und christlicher Gruppen entsetzt.

„Das Parlament hat durch die Hintertür die Schaffung eines ganz neuen Menschen gestattet“, sagte Jack Scarisbrick von der Organisation „Life“, die sich dem Schutz des ungeborenen Lebens verschrieben hat. „Die Gesellschaft sollte bei diesen Aussichten erschauern. Wir haben noch nicht einmal begonnen, über die ethischen Folgen nachzudenken.“

Auch der Erzbischof von Westminster, Cormac Murphy O’Connor, fragte am Mittwoch: „Wollen wir als Gesellschaft diesen gefährlichen Sprung wirklich wagen, ohne eingehend darüber nachgedacht zu haben? Ist es klug, eine Entscheidung zu überstürzen? Ich hoffe, dass das Oberhaus diese Vorschläge ablehnt.“

Hingegen begrüßte Crispin Kirkman, Sprecher der Vereinigung der britischen Bioindustrie, die Entscheidung des Parlamentes. „Wir sind überzeugt, dass die Ausweitung der erlaubten Embryonen-Forschung den Weg zur Behandlung bisher unheilbarer Krankheiten ebnen wird.“

Die embryonalen Stammzellen sollen vor allem dazu dienen, neues gesundes Gewebe für schwer kranke Patienten herzustellen. Das Klonen von Menschen soll nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin streng verboten bleiben. „Es gibt einen immensen potenziellen Nutzen aus dieser Forschung, vor allem für jene, die unter schrecklichen chronischen Krankheiten leiden“, hatte die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Yvette Cooper, den Gesetzentwurf verteidigt.

Die Befürworter des Klonens mit embryonalen Zellen hatten schon vor der Parlamentsdebatte argumentiert, es handele sich bei Zellen im frühen Embryo-Stadium (Blastozyste) noch nicht um einen Menschen. Sie wollen neues Gewebe mit dem Erbgut eines Patienten züchten, indem sie Erbmaterial aus gesunden Zellen dieses Patienten in eine zuvor entkernte Eizelle spritzen. Da die embryonalen Stammzellen in diesem Stadium nicht ausdifferenziert sind, hoffen sie auf diese Weise neues „Ersatzteil“-Gewebe züchten zu können, das vom Patienten nicht abgestoßen wird.

dpa und bdw
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