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Moralische Panik. Journalisten schüren erfolgreich Heavy-Metal-Furcht in Ägypten

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Moralische Panik. Journalisten schüren erfolgreich Heavy-Metal-Furcht in Ägypten
Wenn sich weite Teile der Gesellschaft über bestimmte Moden oder Verhaltensweisen aufregen, dann spricht die Sozialwissenschaft von „moralischer Panik“. Ted Swedenburg, Anthropologie-Professor an der University of Arkansas in Fayetteville, hat die Entstehung und den Verlauf einer solchen moralischen Panik in Ägypten verfolgt und seine Beobachtungen im November beim Treffen der American Anthropological Association in San Francisco vorgestellt.

Im Januar 1997 stürmten ägyptische Sicherheitskräfte ein Heavy-Metal-Konzert und verhafteten 80 junge Leute wegen des Verdachts auf Satansanbetung. Dieses Ereignis stellte den Höhepunkt einer Panik dar, die damit ihren Anfang genommen hatte, dass ein ägyptischer Reporter eine Artikelserie publizierte, in der er behauptete, in der Heavy-Metal-Szene würden sich satanische Aktivitäten abspielen. „In Wahrheit gab es dort keine Satansanbetung“, meint Swedenburg. „Die Kids wurden 10 Wochen später wieder freigelassen, weil ihnen nichts angelastet werden konnte.“

Nachforschungen in einem Pressearchiv zeigten Swedenburg, dass vor und nach der großen Verhaftung hunderte von Artikel erschienen waren. Die Medien waren aber in Ägypten weit davon entfernt, vor einer moralischen Panik zu warnen. Sie ergingen sich dagegen in Beschreibungen satanischer Riten (Gesänge, Sex-Orgien, schwarze Kerzen) und gaben den Lesern Tipps, wie sie die vermeintlichen Satansjünger erkennen könnten (etwa an der schwarzen Kleidung oder an den langen Haaren von Männern). Überdies erschienen in vielen Zeitungen Artikel, die darüber spekulierten, wer oder was die Jugend verführt habe, sich solchen Praktiken zu widmen. Da in Ägypten als einem islamisch geprägten Land der westliche Einfluss von konservativen Kräften ohnehin als eine Bedrohung erlebt wird, sah die Öffentlichkeit auch gleich die islamische Kultur und die moralischen Werte gefährdet.

Obgleich die angeblichen Satansanbeter wieder auf freien Fuß gesetzt worden waren, hatte diese Episode eine nachhaltige Wirkung auf die Kairoer Musikszene und die Jugendaktivitäten. „Die Heavy-Metal-Szene verschwand fast völlig. Eltern nahmen ihren Kindern CDs und Poster weg und zwangen sie, sich die Haare zu schneiden“, berichtet Swedenburg. „Aber die Befürchtungen und Ängste, die das Ganze hervorgerufen hatte, sind geblieben.“

Die Entstehung moralischer Panik ist Swedenburg zufolge nirgendwo auszuschließen. Auch Gemeinschaften, die bereits eine erlebt haben, sind nicht immun dagegen. Doch „bevor die Öffentlichkeit sich wegen einer wahrgenommenen Bedrohung ereifert, sollte sie sich genau ansehen, von was ihre Ängste genährt werden“, meint Swedenburg.

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