Nach Erkenntnissen der Forschergruppe sind rund ein Prozent der Kinder in Deutschland fettleibig. „In den Jahren zwischen 1985 und 1995 haben die Schwersten der Schweren im Durchschnitt um zehn Kilo zugenommen“, sagte Hebebrand. Untersuchungen bei Zwillingen und Adoptivkindern hätten gezeigt, „dass es nicht allein daran liegt, was und wie die Mutter kocht“. Tests mit 93 Familien, die jeweils zwei übergewichtige Kinder haben, zeigten Gemeinsamkeiten bei gewissen Chromosomenabschnitten. „Das spricht für eine deutliche erbliche Komponente.“
Die verdächtigen Regionen umfassen jedoch rund 300 Gene. In den kommenden Jahren wollen die Wissenschaftler diese genauer unter die Lupe nehmen. Sollte die Genforschung erfolgreich sein, könnten Medikamente entwickelt werden, die in die Regelkreise eingreifen und Fettleibigkeit verhindern, hofft Hebebrand.
Die Marburger vergleichen den Anstieg der Fettleibigkeit mit der zunehmenden Körpergröße der Deutschen. „In einer Gesellschaft, in der Hunger zum Fremdwort geworden ist, hat sich hier offenbar das volle genetische Potenzial im Körperlängenwachstum entfaltet“, erklärt Hebebrand. Ähnliches gelte beim Gewicht. Auch hiebei kämen die Erbanlagen erst voll zum tragen, wenn deren Wirkung nicht von Nahrungsmangel eingeschränkt sei. Der Lebensstil in modernen Industriegesellschaften mit einem Überangebot an Nahrung und sitzenden Tätigkeiten „begünstigen, dass sich solche Erbanlagen auswirken“.