Jeder Patient erhielt ungefähr fünf Injektionen mit Gehirngewebe von siebeneinhalb bis neun Wochen alten Föten. Die fetalen Gehirngewebe wurden direkt in die Gehirne der Patienten in eine Region auf der rechten Seite des Gehirns ? in das sogenannte Striatum ? injiziert. Das Stratium, eine für die Bewegungskontrolle relevante Gehirnregion, scheint von der Krankheit am schwersten betroffen zu sein.
Ein Jahr später wurde dieselbe Prozedur an den linken Gehirnhälften der Patienten durchgeführt. Daraufhin wurde die Patienten für ein weiteres Jahr beobachtet.
Mehr als zwei Jahre nach der Verpflanzung der Nervenzellen hat sich die Situation von drei der fünf Patienten eindeutig verbessert. Einer der fünf Patienten zeigte erst eine Verbesserung, die aber nach einer Hirnblutung wieder zurückging. Nur beim fünften Patienten griff die Verpflanzung nicht richtig. „Bis jetzt ist es die einzige Behandlung, die einen Nutzen brachte,“ sagte Peschanski.
Huntington ist eine erbliche Erkrankung des zentralen Nervensystems mit progressivem Verlauf. Die Krankheit zeigt sich meist durch ungebremste willkürliche Bewegungen. In unterschiedlichem Maße treten, oft schon vor den motorischen Störungen, geistige und besonders vielgestaltige psychische Veränderungen auf. Die ersten Anzeichen der Krankheit zeigen sich meistens zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr, obwohl die Krankheit auch bei jüngeren, sogar sehr jungen Menschen, aber auch erst in höherem Lebensalter auftreten kann.
Nach groben Schätzungen haben in Westeuropa und Nordamerika ungefähr 7 von 100.000 Menschen die Huntington-Krankheit. Das bedeutet, dass es in Deutschland etwa 6000 sogenannte „HD-Betroffene“ gibt. „HD“ steht dabei für „Huntingtons Disease“.
Mit der Manifestation der Krankheit setzt ein Abbau von Nervenzellen in zwei sehr wichtigen Bereichen des Gehirns ? in den sogenannten Basalganglien und der Hirnrinde – ein. Die Abnahme der Nervenzellen zeigt sich am deutlichsten im Nucleus caudatus und Striatum – beides sind Teilbereiche der Basalganglien – mit 50 ? 60prozentigem Volumenverlust.
Die Basalganglien zählen zu den Kerngebieten des Endhirns, die als Regelzentren der Muskulatur und der Bewegungen funktionieren. Hier werden die Bewegungen aufeinander abgestimmt so dass ein harmonischer Bewegungsablauf entsteht. Das normale Bewegungsmuster ist also untrennbar an die intakte Funktion der Basalganglien gekoppelt.
In einem Kommentar zu der Studie haben Olle Lindvall und Anders Bjorklund von der Lund University in Schweden die Forschungsarbeit der französischen Wissenschaftler als viel versprechend beschrieben. „Weitere Studien werden klären müssen, ob die Zelltherapie zu einer klinisch sinnvoll anwendbaren Form für Huntington Patienten weiterentwickelt werden kann,“ sagten sie.
Peschanski und sein Team planen nun, das Verfahren in einer klinischen Studie an 60 Patienten in Frankreich und Belgien zu untersuchen. „Drei Patienten sind sehr wenig und so kann die Studie nur eine Richtung weisen,“ sagte Christopher Ross im Namen der Huntington’s Disease Society of America (HDSA) in New York City.
„Einer der limitierenden Faktoren der Studie, ist das Fehlen einer echten Kontrollgruppe ? eine, die genau dasselbe durchgemacht hat, wie die behandelten Patienten. Beispielsweise haben die Patienten Immunsuppressiva – Substanzen, die die Abstoßungsreaktionen des Immunsystems verhindern sollen – einnehmen müssen, damit die fremden fetalen Zellen nicht abgestoßen wurden. Es könnte sein, dass diese Medikamente zusätzlich einen Einfluss auf die Krankheit haben,“ sagte Ross gegenüber Reuters.