Für den 32 Jahre alten Jurastudenten Bruce Wells an der Johns Hopkins Universität wäre digitale Keilschrift eine große Arbeitserleichterung. Denn er sucht nach Aufzeichnungen von Gerichtsverhandlungen über Scheidungen und Kleindiebstähle und zwar nicht aus der heutigen Zeit, sondern aus dem alten Assyrien und Babylonien. Seine Quellen sind bislang Kopien bröseliger Tontafeln und staubiger Schriftrollen, oftmals unsicher und ohne Unterschrift. Da wäre es natürlich schön, wenn Wells eine Keilschrifttastatur hätte und den PC nach einzelnen Texten in einer Keilschriftdatenbank suchen lassen könnte.
Jetzt arbeiten Wissenschaftler der Johns Hopkins Universität daran, Keilschrift in digitale Form umzuwandeln, diese dann direkt auf dem Computer schreibbar zu machen und all die Tausenden von Tontafeln aller Museen weltweit in riesige Datenbanken einzuspeisen. Am Ende soll es sogar möglich sein, e-mails in Keilschrift zu verschicken, sagt Dean Snyder, ein Informatiker der Johns Hopkins University, der das Sammeln der Texte organisiert. Es stellte sich schnell heraus, dass, um alle 600 Zeichen der Keilschrift mit dem Computer darstellen zu können, der gängige ASCII-Code (American Standard Code for Information Interchange, der sämtliche Information in ein Schema von 128 Zahlen packt) nicht ausreicht. Mit dem Unicode jedoch können bis zu 1 Million Zeichen dargestellt werden, was für alle lebenden und toten Sprachen der Welt ausreicht. Jetzt müssen sich die Forscher nur noch entscheiden, wie sie die 600 Keilschriftzeichen in das Unicode System einfügen. Die meisten der 7.000 heute gebräuchlichen Sprachen sind schon in Unicode konvertiert, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Bedeutung des Internet.
Für Bruce Wells kommt die digitale Keilschrift wahrscheinlich zu spät, denn vier Jahre wird die Umwandlung der Keilschrift nach Ansicht der Forscher dauern.