Lange gab es nur Mikroben: In der rund 3,7 Milliarden Jahre zurückreichenden Geschichte des Lebens tauchten die Tiere erst etwa im letzten Drittel auf. Offenbar musste das Leben warten, bis es richtig durchatmen konnte: Bei der Entwicklung der höheren Lebewesen war der verfügbare Sauerstoff offenbar der Schlüsselfaktor. Je mehr davon zur Verfügung stand, desto größer und komplexer wurden sie. Schließlich entwickelten sie dann Kiemen und Lungen, um ihren Stoffwechsel mit dem Oxidationsmittel bestmöglich zu versorgen.
Sauerstoffgehalte variieren örtlich und zeitlich
Am Anfang dieser Geschichte muss ein minimales Sauerstoffniveau gestanden haben, das diese Entwicklung ermöglichte. Bisher ging man dabei davon aus: „Der Luftsauerstoff hatte damals einen Wert ‚x‘, so dass sich alle Meere mit diesem Wert in ein Gleichgewicht brachten“, erklärt Chris Reinhard vom Georgia Institute of Technology in Atlanta. Demzufolge hätten alle sich entwickelnden Tiere überall die gleiche Konzentration von Sauerstoff zur Verfügung gehabt. Doch das ist ein sehr vereinfachter Ansatz, betont der Forscher, denn durch eine Reihe von Faktoren schwanken die Sauerstoffgehalte in verschiedenen Meeresbereichen und auch zeitlich stark – das ist auch heute noch so.
Für ihre Studie modellierten er und seine Kollegen deshalb, welche Sauerstoffverteilung es in den Ozeanen am Anfang der tierischen Evolution im Zeitrahmen von vor 1,8 Milliarden bis vor 600 Millionen Jahren gegeben haben könnte. Die Computermodelle umfassen dabei Szenarien atmosphärischer Sauerstoffkonzentrationen von 0,5 bis 10 Prozent des heutigen Niveaus. Die Berechnungen orientierten sich an bio- und geochemischen Faktoren, wie sie auch heute noch die Sauerstoffverteilung im Meer prägen. Die Grundprinzipien waren damals nicht anders, sagen die Forscher.
Lange gab es noch kein problemloses Durchatmen
Die Modellberechnungen ergaben: Bei den niedrigen Sauerstoffgehalten in dem untersuchten Zeitrahmen war der Meeresboden weitgehend sauerstoffarm, auch wenn der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre bereits über Werten lag, die eigentlich eine für Tiere ausreichende Versorgung vermuten lassen würde. Im Oberflächenbereich variierten die Sauerstoffkonzentrationen räumlich stark und auch im Jahresverlauf, ergaben die Simulationen. Teilweise erreichten sie so niedrige Werte, dass der geschätzte Toleranzbereich von urtümlichen Tieren unterschritten wurde. Letztlich zeichnet sich damit ab: Der Sauerstoffgehalt in den Ozeanen war vermutlich lange Zeit für die Entwicklung des tierischen Lebens noch ungünstig, sagen die Forscher.
Ihnen zufolge müssten die Ergebnisse nun in Annahmen über den Zeitrahmen des Beginns der tierischen Evolution einfließen. Möglicherweise dauerte es demnach länger, bis ein problemloses „Durchatmen“ möglich war, als bislang gedacht. Die Forscher sehen sogar eine außerirdische Bedeutung ihrer Ergebnisse: Möglicherweise können die Einschätzungen zu „tierfreundlichen“ Sauerstoffgehalten Hinweise dazu liefern, ob sich auf fernen Planeten komplexes Leben entwickelt haben könnte, sagen Reinhard und seine Kollegen.