Rauchen ist ungesund – und im Extremfall tödlich. Mehr als sechs Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des Zigarettenkonsums. Die Inhaltsstoffe des Tabakrauchs machen unter anderem anfälliger für Infektionen, fördern Gefäßerkrankungen und gelten als Risikofaktor für siebzehn verschiedene Krebserkrankungen, allen voran Lungenkrebs. Der Grund für die Gefährlichkeit des Tabakrauchs: Er richtet im menschlichen Erbgut erheblichen Schaden an, indem er Mutationen in der DNA verursacht. Betreffen diese Veränderungen Abschnitte der Erbsubstanz, die das Wachstum und die Teilung von Zellen regulieren, können sie den Grundstein für Krebs legen. Denn zu viele Mutationen an solchen entscheidenden Stellschrauben führen dazu, dass sich Zellen unkontrolliert vermehren: Es entwickelt sich ein Tumor.
Wissenschaftler um Ludmil Alexandrov vom Los Alamos National Laboratory haben in einer umfangreichen genetischen Studie nun erstmals analysiert, wie weit der Arm des Tabakrauchs bei der Krebsentstehung reicht. Sie suchten im Erbgut von rund 5.200 Tumoren unterschiedlicher Krebsarten nach charakteristischen Mutationsmustern und verglichen dabei krankhaftes Gewebe von Rauchern mit Tumoren von Menschen, die noch nie in ihrem Leben geraucht hatten. Würden sie bei den Tabakliebhabern mehr oder andere solcher Signaturen finden als bei den Nichtrauchern?
150 zusätzliche Mutationen in jeder Lungenzelle
Die klare Antwort lautet: Ja! Je mehr Zigaretten ein Krebspatient geraucht hatte, desto mehr Mutationen konnten die Forscher in seinem Tumor ausmachen. Besonders extrem war der Effekt des Tabakkonsums bei Lungenkrebs: Wer jeden Tag eine Schachtel Zigaretten qualmt, sorgt demnach allein in einer Lungenzelle im Schnitt für 150 zusätzliche Mutationen pro Jahr. Doch auch bei anderen Krebsarten brachten Alexandrov und seine Kollegen bestimmte Mutationen mit dem Rauchen in Verbindung. Im Kehlkopf verursachte die gleiche Menge Tabakrauch 97 Extra-Mutationen pro Zelle, im Rachen 39, im Mund 23, in der Blase achtzehn und in der Leber sechs.
Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr als zwanzig charakteristische Mutationssignaturen, die typisch für Raucher sind. “Wir haben sowohl direkte als auch indirekte Effekte des Tabaks entdeckt”, berichtet David Phillips vom King‘s College in London. Dies zeige, dass die durch die Inhaltsstoffe im Tabakrauch verursachten Schäden komplexeren Mechanismen zugrunde liegen als zuvor gedacht. So fanden die Forscher vor allem in Organen wie der Lunge, die tatsächlich mit dem Rauch in Kontakt kommen, Mutationen, die direkt auf von Karzinogenen verursachte DNA-Schäden zurückzuführen sind. In anderen Organen wirkte das Rauchen hingegen subtiler. Es schien dort Mechanismen zu beeinflussen, die wiederum die DNA veranlassen, zu mutieren. So schien der Tabak unter anderem eine zelluläre Uhr zu beschleunigen, die Zellen altern lässt. Je mehr Mutationen in dieser Uhr vorhanden waren, desto früher brach bei den Patienten der Krebs aus.
Interessant auch: Während die Zahl der genetischen Mutationen bei Rauchern und Nichtrauchern deutlich voneinander abwich, gab es hingegen kaum Unterschiede bei der Anzahl Epigenom-spezifischer Veränderungen wie der Anlagerung von Methylgruppen. Diese können an bestimmten Stellen das Ablesen von DNA blockieren. Rauchen scheint das Erkrankungsrisiko demnach hauptsächlich über genetische und nicht über epigenetische Veränderungen zu beeinflussen. “Zuvor hatten wir lediglich epidemiologische Belege für den Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs. Nun können wir beobachten und quantifizieren, welche molekularen Veränderungen in der DNA der Zigarettenkonsum auslöst”, sagt Alexandrov. “Die höheren Mutationsraten bei den Rauchern erklären, warum sie ein gesteigertes Risiko für Krebserkrankungen haben.” Zu verstehen, wie der Krebs bei Rauchern und Nichtrauchern entstehe, könne künftig womöglich auch dabei helfen, ihm vorzubeugen.