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Arche Noah reloaded

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Arche Noah reloaded
Zuchtprogramme in Zoos können helfen, den Bestand gefährdeter Arten zu stabilisieren.

„Das Thema Artenschutz war bei vielen Zoos früher nicht beliebt”, sagt Dirk Petzold von der Stiftung Artenschutz, die die Artenschutz-Aktionen von 50 deutschen und österreichischen Zoos koordiniert. „Den Besuchern sollte ein schöner Tag beschert werden, und da wollte man keine schlechten Nachrichten von aussterbenden Tieren verbreiten. Aber inzwischen gibt es glücklicherweise eine neue Generation von Zoodirektoren.”

Artenschutz ist für die meisten Tierparks eine Selbstverständlichkeit geworden, mit der sie auch Werbung machen. Viele Zoos sehen sich als „Arche Noah”, auf der Tiere überleben können, bis sich die Zustände in der Welt gebessert haben. Hier kann in geschützter Umgebung der Gen-Pool gefährdeter Wildtiere größer gehalten werden, als es in der Natur derzeit möglich ist. Von einigen großen Tieren gibt es nur noch einige Dutzend Exemplare, zum Beispiel vom Amur-Leopard oder vom Sabah-Nashorn. Bedrohte Arten werden in Zoos gezüchtet. Sorgfältig geführte Zuchtbücher sorgen für eine gute Durchmischung des Gen-Pools und verhindern Inzucht. Fernziel ist, wo immer es geht, die Auswilderung. Solche Zuchtprogramme in Zoos können viel leisten, wie einige spektakuläre Erfolge zeigen, etwa der Erhalt und die Wiederansiedlung des Przewalski-Pferds in der Mongolei, der europäischen Wisente in Osteuropa oder des Kondors in Kalifornien. Aber trotzdem reichen sie bei Weitem nicht aus. Das ist das Fazit einer Analyse des Max-Planck-Instituts für Demografische Forschung in Rostock. Die Forscher analysierten Daten des International Species Information System (ISIS). Sie zeigten: Von allen bedrohten Säugetierarten werden nur knapp 25 Prozent in Gefangenschaft gehalten. Bei den akut vom Aussterben bedrohten Vogelarten ist die Quote mit 9 Prozent sogar noch niedriger. Von Fröschen, Kröten und Lurchen werden nur 3 Prozent der bedrohten Arten gezüchtet – und das, obwohl etwa ein Drittel aller Amphibienarten von der internationalen Rote-Liste-Organisation IUCN als bedroht eingestuft werden. Nate Flesness, wissenschaftlicher Direktor von ISIS, fordert mehr Zuchtprogramme. Darin sollten Tiere schon frühzeitig aufgenommen werden, bevor ihr Bestand in freier Wildbahn allzu stark dezimiert ist. „Die Zoos sollten nicht als Notaufnahme angesehen werden”, sagt Flesness, „da die Erfolgschancen bei der Aufzucht geringer sind, wenn die letzten, schon geschwächten Individuen einer Art dafür eingesetzt werden müssen.”

„Populäre Tiere haben es relativ leicht, in Zuchtprogramme aufgenommen zu werden, andere werden nicht beachtet”, bemängelt Antje Fischer von der Zoo-AG an der Universität Bielefeld und „ Specialist” bei der IUCN. „Um schwer vermittelbare bedrohte Tiere beliebter zu machen, haben wir sogar schon Tiere umbenannt.” So wurde aus der Tonkin-Stumpfnase der Tonkin-Goldaffe. „Aber all diese Artenzuchtprogramme haben natürlich keinen Zweck, wenn gleichzeitig der Lebensraum der Tiere zerstört wird”, betont Fischer.

Das sieht man in vielen Zoos so. Seit Anfang des Jahrhunderts werden immer mehr Tierparks vor Ort im ursprünglichen Lebensraum der Tiere aktiv. Der Allwetterzoo Münster hatte als Erster eine eigene Artenschutzkuratorin, die zunächst gar nicht im Zoo, sondern nur in Vietnam und Kambodscha aktiv war. Die Zoos kümmern sich im Ausland um den Erhalt der Heimat der Tiere. „Und wir nutzen die Tiere im Zoo als Botschafter ihrer frei lebenden Artgenossen, um Geld für diese Projekte zu sammeln”, sagt Jörg Junhold, Direktor des Zoos Leipzig. Außerdem schulen die Zoos Mitarbeiter in Schutzgebieten und Auffangstationen. „Hier haben die westlichen Länder einen großen Erfahrungsvorsprung, und den wollen wir weitergeben”, meint Junhold.

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Manche Tierparks kooperieren dabei mit Forschungsorganisationen. So arbeitet Leipzig mit dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (EVA) beim Schimpansenschutz in Westafrika und mit dem Berliner Institut für Wildtierforschung (IZW) beim Sabah-Nashorn-Projekt auf Borneo zusammen. Frankfurt am Main ist mit seiner Zoologischen Gesellschaft in Vietnam aktiv. Selbst etliche kleine Zoos unterstützen Schutzstationen, zum Beispiel der Zoo Nordhorn an der niederländischen Grenze: Er hilft beim Schutz des Drills, eines pavianartigen Affen im westlichen Afrika. Die Arche Noah setzt ihre Rettungsboote aus. ■

THOMAS WILLKE, bdw-Korrespondent und Diplom-Biologe, freut sich, dass er in den neuen Zoos Tiere mit natürlichem Verhalten beobachten kann.

von Thomas Willke

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Lesen

Sehr informativer und kompenter Zooführer mit 550 Tierparks in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Dirk Petzold, Silke Sorge Abenteuer Zoo Stocker, Graz 2011, € 19,90

Spannendes Sachbuch für Kinder ab 8 Jahren: Sabine Dahm FRAG DOCH MAL … DIE MAUS! IM ZOO cbj, München 2011, € 12,99

Internet

Einen riesigen Fundus an Informationen rund um das Thema Zoo bieten die Homepages der Zoo-AG an der Universität Bielefeld: www.zoo-ag.de www.zoo-infos.de

Artenschutz-Aktionen deutscher und österreichischer Zoos: www.stiftung-artenschutz.de

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