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Puzzlespiel der Kontinente

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Puzzlespiel der Kontinente
Mehrmals im Lauf der Erdgeschichte haben sich alle Kontinente auf einem Haufen zusammengeklumpt. Jetzt gibt es Hinweise auf einen weiteren, älteren Superkontinent.

Vor 1,7 Milliarden Jahren sah die Erde recht fremdartig aus: In den Ozeanen existierten lediglich Blaualgen und einfache Bakterien, die Kontinente waren völlig unbelebt. Auch die Verteilung der Landmassen war ganz anders als heute: Die Erdteile hatten sich gerade aus mehreren Kontinenten zu einem einzigen „ Superkontinent“ von 12000 Kilometer Länge und 5000 Kilometer Breite zusammengeklumpt. Das jedenfalls vermutet der Geologe John Rogers von der University of North Carolina in Chapel Hill: „Die Westküste Indiens grenzte damals ans westliche Nordamerika, Südaustralien berührte Kanada.“ Neben der heutigen Ostküste Nordamerikas lag Westbrasilien. Der Kontinentalrand dieser riesigen Landmasse – von Rogers „Columbia“ getauft – zog sich von Brasilien über Nordamerika bis nach Südskandinavien hin. Die Indizien sind aufgrund des hohen Alters des Superkontinents allerdings dürftig: Im Wesentlichen gründet Rogers seine Theorie darauf, dass in vielen Teilen der Welt vor 1,8 bis 1,7 Milliarden Jahren gleichzeitig Gebirge entstanden – gleichsam Schweißnähte zwischen den zusammenstoßenden Urkontinenten. In Indien und an der amerikanischen Pazifik-Küste im Gebiet des Columbia-River hat Rogers außerdem zusammenpassende, gleichaltrige Bruchzonen ausgemacht, an denen Groß-Columbia vor 1,5 Milliarden Jahren wohl wieder barst. Peter Cawood von der Curtin University of Technology in Perth bestätigt, dass vor 1,6 bis 1,4 Milliarden Jahren gehäuft magmatische Gesteine entstanden sind – ein Indiz, dass sich die kontinentale Erdkruste damals gedehnt hat. Diese Gesteine könnten das Ende von Columbia anzeigen, meint der australische Geologe. Es wird immer schwieriger, die Konfiguration der Kontinente zu erforschen, je weiter sie in der Zeit zurück liegt. Andere „Archive“, die Geologen nutzen, sind Zirkon-Kristalle und die Magnetisierung von Gesteinen. Sie geben Hinweise auf Perioden der Gebirgsbildung. Die Kristalle entstehen bei hohem Druck und hohen Temperaturen an der Wurzel von Gebirgen. Wenn sie kristallisieren, wird durch den Zerfall radioaktiver Uran-Atome eine geologische Uhr in Gang gesetzt, die die Zeit seit der Gebirgsbildung misst. Moderne Messmethoden sind so fein, dass sich in einem Zirkon-Kristall unterschiedlich alte Schichten datieren lassen, die mehrere Kontinent-Kollisionen anzeigen. Die Gesteinsmagnetisierung ist hilfreich, um die einstige Lage der Kontinente zu rekonstruieren, denn magmatische Gesteine „frieren“ bei ihrem Erstarren die Richtung des herrschenden Erdmagnetfeldes ein, die im Lauf der Erdgeschichte immer wieder gewechselt hat. „Die Magnetisierung eines Gesteins hilft allerdings nur dabei, den Breitengrad herauszufinden, wo es einst entstand. Den Längengrad bekommt man aber nicht heraus“, betont Joachim Jacobs von der Universität Bremen. Zudem reichen die Magnetfelddaten nur 1,1 Milliarden Jahre zurück. Der Grund: Fast alle älteren Gesteine wurden in der Zwischenzeit erneut erwärmt, wobei die ursprüngliche Magnetisierung verloren ging. Vor etwa 1,1 Milliarden Jahren – nach einem Intermezzo mit kleineren Kontinent-Bruchstücken aus dem Zerfall Columbias – tummelten sich die Landmassen rund um das Gebiet des heutigen Nordamerika. Ein Superkontinent namens „Rodinia“ (russisch: „ Mutterland“) beherrschte nun die Erde. Das Zusammenwachsen von Rodinia vor etwa 1,1 Milliarden Jahren ist durch einen gewaltigen Gebirgsgürtel dokumentiert. Seine Reste sind an der gesamten amerikanischen Ostküste südlich von New York zu finden und ziehen sich von dort bis nach New Mexico. Die Fortsetzung der Bergkette liegt heute tausende von Kilometern entfernt in der Ostantarktis. Womöglich reichte der Höhenzug sogar bis nach Australien. Ian Dalziel von der University of Texas in Austin folgerte Anfang der neunziger Jahre, dass diese drei Gebiete einst benachbart waren und sich vor etwa 800 Millionen Jahren wieder trennten. Belege dafür liefern laut Jacobs charakteristische Schichtfolgen, die die Öffnung von neuen Ozeanbecken anzeigen. Vor 560 Millionen Jahren bildeten einige Erdteile vorübergehend einen Südkontinent, Pannotia. Und vor 250 Millionen Jahren trieben die Kontinentalschollen erneut zu einem Superkontinent zusammen: Südamerika, Afrika, Indien, Australien und die Antarktis, schon einige Jahrmillionen zuvor zum Südkontinent Gondwana verschmolzen, stießen gegen die vereinigten Nordkontinente. Pangäa entstand – eine sichelförmige Landmasse mit einer Länge von fast 14000 Kilometern. Doch auch Pangäa existierte nicht lange. Vor 200 Millionen Jahren zerbrach der Superkontinent. Vom langsamen Tanz der Erdteile danach gibt es nun detaillierte Animationen. Die Wanderwege der Bruchstücke lassen sich anhand von gewaltigen Rissen im Meeresgrund rekonstruieren. Außerdem hinterließen im Erdmantel verankerte Plumes ihre Spuren auf den über sie hinweg driftenden Kontinenten. Da die ältesten Meeresböden knapp 200 Millionen Jahre alt sind, können sie aber keine Erkenntnisse aus der Zeit vor Pangäa liefern. John Rogers hindert dies nicht daran, weiterhin den Superkontinent Columbia vor 1,7 Milliarden Jahren zu postulieren. Dass in Pangäa die drei Milliarden Jahre alten Kontinentkerne von Indien, Australien, Madagaskar und Simbabwe nebeneinander lagen, sei kein Zufall. Rogers nimmt an, dass diese Fragmente einst den Ur-Kontinent „Ur“ bildeten, der vor drei Milliarden Jahren entstand und bis zum Ende von Pangäa intakt über die Erde driftete. Zwei weitere Uralt-Landmassen namens „Arktika“ und „Baltika“, 2,5 und 2 Milliarden Jahre alt, teilten dieses Schicksal. Alle paar hundert Millionen Jahre kamen sie in einer neuen Konfiguration zusammen und trennten sich wieder. Bei jedem Zyklus wuchsen die alten Kerne etwas, weil bei den Kollisionen neue Gebirge entstanden, Inselbögen oder Ozeanbodensplitter angegliedert wurden. Die ältesten Blöcke, „Ur“, „Atlantika“ und „Arktika“ genannt, baut Rogers komplett in alle drei Superkontinente ein. Erst beim Zerfall Pangäas sollen auch die Urkontinente zersplittert sein. Ihre Teile liegen heute über alle Welt verstreut. Schon Rogers Theorien sind für andere Forscher, etwa Joachim Jacobs, „ziemlich spekulativ“. Erst recht rätselhaft ist aber, warum die Erdteile sich immer wieder auf einem Haufen versammeln. „Der Grund muss in der Konvektion der Gesteine im Erdmantel liegen“, vermutet Jacobs. Die Ursachen für den Zerfall der Superkontinente sind besser verstanden: Unter der dicken kontinentalen Riesenkruste staut sich die Wärme aus dem Erdinneren immer mehr, bis die gewaltige Landmasse an mehreren Stellen aufreißt und die Bruchstücke auseinander treiben. Dann beginnt der Kreislauf erneut.

Ute Kehse

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