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Liebe in Zeiten der Parasiten

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Liebe in Zeiten der Parasiten
Das Verhältnis der Geschlechter bleibt kompliziert: Frauen bevorzugen gut aussehende Männer, obwohl sie wissen, dass die nicht treu sind. Als Rückversicherung haben die Frauen zu Hause dann den treusorgenden Vater, der aber nicht so toll aussieht.

Liebe in Zeiten der Parasiten Das Verhältnis der Geschlechter bleibt kompliziert: Frauen bevorzugen gut aussehende Männer, obwohl sie wissen, dass die nicht treu sind. Als Rückversicherung haben die Frauen zu Hause dann den treusorgenden Vater, der aber nicht so toll aussieht. Schönlinge geben schlechte Familienväter ab. Um diese These zu prüfen, schmückte die Evolutionsbiologin Nancy Burley männliche Zebrafinken mit roten Bändchen an den Beinen. Die Weibchen flogen auf solche Schmuckstücke, doch sie hatten wenig Freude daran. Die aufgetakelten Partner kümmerten sich weniger um den ehelichen Nachwuchs und setzten stattdessen mehr Jungvögel mit fremden Weibchen in die Welt. Die Moral dieses 15 Jahre zurückliegenden Vogel-Experiments muss endlich auch bei den Theorien menschlicher Partnerschaften berücksichtigt werden, meinen die Psychologen Steven Gangestad von der Universität New Mexiko in Albuquerque und Jeffry Simpson von der Texas A&M Universität in College Station. Sie krempeln damit den Grundgedanken der Evolutionspsychologie um. Männer, so die bisherige These, neigen alle zur Untreue. Denn Kinder zu zeugen, kostet sie kaum Mühe und jedes trägt ihre Gene weiter. Da sind Affären lohnender als Vaterpflichten. Frauen hingegen müssen ihre Kinder lange austragen und stillen. Seitensprünge verhelfen ihnen nicht zu einer größeren Kinderschar, sondern vertreiben allenfalls den dringend benötigten Ernährer. Darum hat die Evolution sie treu werden lassen. Im wirklichen Leben liegen die Dinge deutlich komplizierter – einige der möglichen Verwicklungen berücksichtigen Gangestad und Simpson in ihrer neuen Theorie. Die gute Nachricht für die Frauen: Es gibt viele Männer, die sich treu um den familiären Nachwuchs kümmern. Die schlechte: Sie sehen nicht besonders toll aus. Für den Durchschnittsmann zahlt sich die Schürzenjagd einfach nicht aus, so die Überlegung von Gangestad und Simpson. Er kassiert zu viele Abfuhren. Darum investiert er seine Zeit sinnvoller in die Kinder mit der einen Frau, die er nach längerer Suche schließlich gefunden hat. Dann gedeihen die Sprösslinge besser und geben die Erbanlagen ihres Erzeugers eher weiter. Ein attraktiver Mann findet dagegen leicht Geliebte und tut es den verschönerten Finken gleich. Welche Männer aber genießen so viel Erfolg bei der Weiblichkeit, dass sie es mit den Vaterpflichten nicht so genau zu nehmen brauchen? Und was haben eigentlich die Frauen dabei zu gewinnen? Eine Idee lieferte abermals die Vogelwelt, diesmal waren es die Rauchschwalben. Sie verbringen nur auf den ersten Blick treu und brav die Brutsaison mit einem einzigen Partner. Tatsächlich stammt ein Drittel der Jungen nicht vom Nestgenossen des Weibchens, sondern geht auf das Fortpflanzungskonto von besonders attraktiven Schwalbenmännchen. Und was macht die so begehrt? Die Starvögel stellen einen besonders symmetrischen Körper zur Schau. Die Liebe zur Symmetrie ist sinnvoll im Licht der Evolution und zeigt sich bei vielen Arten. Krankheiten und genetische Defekte stören die Symmetrie. Erblickt ein Weibchen also ein ebenmäßig gebautes Männchen, wird signalisiert: Der scheint Parasiten aller Art zu trotzen, hier wartet gutes Erbmaterial, genau das Richtige für den Nachwuchs. Offenbar lebt diese evolutionäre Logik auch im Menschen fort. Frauen finden symmetrische Gesichter bei Männern schöner. Männer mit ebenmäßigen Zügen schlafen im Lauf ihres Lebens mit mehr Frauen als andere. Das ergaben Untersuchungen in den verschiedensten Kulturen, etwa bei den Maya in Belize. Nicht ganz jugendfreien Ergebnissen zufolge haben Frauen mit solch begehrten Typen nicht nur mehr Orgasmen, sondern auch noch besonders oft annähernd gleichzeitig mit ihnen. Und das fördert angeblich die Empfängnis. Das alles wäre eigentlich schon genug, um sich bei Geschlechtsgenossen unbeliebt zu machen. Doch die Symmetrischen scheinen auch noch um ihre Überlegenheit zu wissen und prahlen damit: In einem Experiment wurde jedem Teilnehmer versprochen, er dürfte eine attraktive Frau zum Essen ausführen, wenn er sie bei einem Gespräch per Videoübertragung mehr beeindrucke als ein Mitbewerber. Am Schluss dieses Wett-Flirtens fragte die ausgelobte Frau den Bewerber, warum sie ihm den Vorzug geben solle. Bei der Gelegenheit zogen die Männer mit symmetrischeren Gesichtern über ihren Konkurrenten her und strichen die eigenen Vorzüge in direkten Vergleichen heraus. Nur: Glücklich werden Frauen mit einem solchen Partner auf die Dauer eher seltener. Was die Theorie von Gangestad und Simpson prophezeit, bestätigt sich in den Antworten von liierten Paaren auf Fragebögen: Symmetrische Männer erweisen sich als weniger ehrlich zu ihren Freundinnen, verbringen weniger Zeit mit ihnen und sind mehr hinter anderen Frauen her. Nehmen Frauen das alles nur um besserer Gene willen in Kauf? Oder sind schöne Männer auch beruflich erfolgreicher, und die Frauen fühlen sich deswegen zu ihnen hingezogen? Vom höheren Status des Mannes würde der Nachwuchs ja auch profitieren, geben Kritiker zu bedenken: Ein erfolgreicher Mann gäbe schließlich den besseren Ernährer ab. Gangestad und Simpson bezweifeln das: „Dass manche Männer sowohl größere genetische Vorteile als auch mehr materielle Vorteile bieten können, heißt nicht, dass sie das auch tun.“ Gegenvorschlag der beiden Forscher: Die schönen Männer würden lieber „die Zahl der Partnerinnen erhöhen, statt mehr für eine Einzelne zu bezahlen“. Aber auch die Frauen verfolgen laut Gangestad und Simpson je nach Lage verschiedene Strategien. Auf gut aussehende Männer mit starken Genen legen sie vor allem dann Wert, wenn diese gebraucht werden. Nämlich dann, wenn es im Lebensraum von Parasiten wimmelt, denen nur Menschen mit der besten Abwehr trotzen. Tatsächlich stellte sich bei Befragungen in 29 Ländern rund um den Erdball heraus: Wo das Ungeziefer wütet, sind gut aussehende Partner besonders gefragt. Das gilt unabhängig vom Breitengrad. Frauen in verseuchten Ländern finden sich eher mit Männern ab, die wahrscheinlich nicht die fürsorglichsten Väter abgeben: Verlässlicher Charakter, verträgliches Temperament, Reife und Häuslichkeit sind bei der Liebe in Zeiten der Parasiten weniger gefragt. Natürlich behauptet niemand, Männer und Frauen würden sich ihre Traumpartner bewusst nach den Fortpflanzungschancen aussuchen. Die Idee ist vielmehr: Die Evolution hat dazu geführt, dass wir je nach Lage bestimmte Wesen des anderen Geschlechts automatisch besonders attraktiv finden. Deshalb stehen Frauen auch heute noch auf symmetrische Gesichter. Jedenfalls, wenn es um schnellen Sex geht, aus dem klassischerweise ein Kind entstehen könnte. „ Gen-Shopping“, nennt der Fachmann solche Eskapaden. Sehen sie sich dagegen nach dem Mann fürs Leben um, finden sie symmetrische Männer nicht besonders attraktiv. Allerdings muss der eine das andere nicht ausschließen. „Frauen heiraten, was da ist“, meint die Anthropologin Gwen Broude in ihrem Kommentar zur Theorie von Gangestad und Simpson. Aber: Bändchen am Bein wirkt auch hier. „ Mit einem Ehemann daheim als Versicherungspolice kann eine Frau sich auf die Suche nach Paarungen mit einem genetisch gut ausgestatteten Mann machen.“ Die Professorin lehrt am Vassar-College, lange Zeit eine Elite-Schule für höhere Töchter.

Jochen Paulus

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