Er ist ziemlich gut genährt, hat ein rötliches Gesicht, einen weißen Bart, lebt am Nordpol und fährt mit einem Rentierschlitten umher, um Weihnachtsgeschenke auszuteilen. In vielen Gegenden Europas und der Welt ist dies ist das gängige Bild des Weihnachtsmannes. Vor allem in Großbritannien und den USA ist er es, der in der Weihnachtsnacht heimlich und blitzschnell durch den Schornstein in die Wohnungen kommt und die Geschenke deponiert. Rechnet man die unterschiedlichen Zeitzonen mit ein, hätte Santa Claus demnach rund 31 Stunden Zeit, um die etwa 700 Millionen Kinder aus mehr oder weniger christlichen Haushalten zu besuchen. Aber wie soll er das schaffen? Die Physikerin Katy Sheen von der University of Exeter hat einige der außerordentlichen Leistungen des Weihnachtsmannes genauer untersucht – aus physikalischer Sicht.
Spaghetti-Effekt und Zeitdehnung
Die erste und grundlegende Besonderheit des Weihnachtsmannes ist sein Tempo: Um in der Weihnachtsnacht alle 700 Millionen Kinder zu besuchen, müssten er und seine Rentiere mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn Millionen Kilometern pro Stunde um die Erde rasen, wie die Physikerin ausrechnete. Damit würde er nicht nur locker die Schallmauer durchbrechen, er wäre sogar so schnell, dass relativistische Effekte auftreten könnten. Diese Effekte ergeben sich aus Albert Einsteins Spezieller Relativitätstheorie und treten vor allem dann auf, wenn ein Objekt sich mit Geschwindigkeiten nahe an der Lichtgeschwindigkeit bewegt. Eine Folge ist eine Längendehnung: Ein schnelles Objekt wird immer länger und dünner, je schneller es sich bewegt. Diesem “Spaghettisierungs-Effekt” würde in gewissem Maße auch der um die Erde rasenden Weihnachtsmann unterliegen, wie Sheen erklärt. Das wiederum erklärt, warum der Weihnachtsmann trotz seiner beachtlichen Leibesfülle durch jeden noch so engen Schornstein passt: Dank der relativistischen Effekte sind er und sein Geschenkesack dünn genug – solange er nicht langsamer wird.
Auch ein weiteres Merkmal des Weihnachtsmannes führt die Physikerin auf die Relativitätstheorie zurück: Obwohl er seit Jahrhunderten existiert, scheint er nie älter zu werden. Immer bleibt er der gleiche weißbärtige, aber durchaus rüstige ältere Herr. Der Grund dafür: die Einstein’sche Zeitdehnung. Ist man sehr schnell oder sogar mit nahezu Lichtgeschwindigkeit unterwegs, dann vergeht auch die Zeit langsamer. Ein Astronaut, der längere Zeit in einem sehr schnellen Raumschiff unterwegs wäre, wäre bei seiner Rückkehr zur Erde daher weniger stark gealtert als seine Zeitgenossen auf der Erde. Nach Ansicht von Sheen könnte dieser Effekt erklären, warum auch der Weihnachtsmann kaum älter wird: Er ist so oft mit relativistischen Geschwindigkeiten unterwegs, dass auch auf ihn die Einstein’sche Zeitdehnung wirkt.
Unsichtbar und lautlos
Eine physikalische Erklärung hat Katy Sheen auch für die Tatsache, dass sich der Weihnachtsmann selten bei seinem Tun ertappen lässt. Er bleibt unsichtbar und auch meist unhörbar, wenn er durch den Schornstein rast und die Geschenke bringt. Hier kommt der Doppler-Effekt zum Tragen. Das schallende “Ho, ho, ho” von Santa Claus und die Rufe, mit der er seine Rentiere antreibt, werden in immer höhere Tonlagen verschoben, wenn er sich uns nähert. Die Schallwellen werden so stark komprimiert, dass sich ihre Frequenz bis in den für uns unhörbar hohen Bereich verschiebt. Dadurch bleiben Santa Claus und sein Tun für uns lautlos. Ein ähnlicher Effekt kommt auch zum Tragen, wenn es um sein Aussehen geht. Denn auch das Licht, durch das wir den Weihnachtsmann und seinen Schlitten im Stillstand sehen würden, verändert sich bei hohem Tempo. Kommt er schnell auf uns zu, verkürzt sich die Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung. Diese Blauverschiebung kann man beispielsweise in der Astronomie nutzen, um die Bewegungen von Sternen zu messen. Ist das Bewegungstempo relativ zu uns hoch genug, erschiene dadurch der rote Mantel des Weihnachtsmannes erst grün und blau und würde sich dann aus dem für uns sichtbaren Bereich in den UV-Bereich verlagern. Als Folge wären Santa Claus und seine Rentiere für uns unsichtbar, wie Sheen erklärt.
Natürlich ist das Ganze eher Physik mit einem Augenzwinkern, wie die Forscherin betont. Sie nutzt diese Beispiele, um Kindern beim “Science of Christmas Festival” auf anschauliche Weise Physik beizubringen. Vielleicht, so ihre Hoffnung, wecken solche praktischen, wenn auch nicht ganz ernsten Beispiele bei dem einen oder anderen Kind ja ein neues Interesse für die Naturwissenschaften. Wenn dann der Weihnachtsmann möglicherweise im nächsten Jahr einen Experimentierkasten auf dem Wunschzettel dieses Kindes findet, dann hat sich das Ganze schon gelohnt.