Das Gehirn ist kein Computer: Während die Schaltkreise eines Rechners auf bestimmte Operationen festgelegt sind, kann sich die „Hardware“ unter unserer Schädeldecke durchaus neu verdrahten, wenn es nötig ist. Der kanadische Psychiater Norman Doidge belegt mit einfühlsam geschilderten Fallbeispielen, dass die Forschungen zur Neuroplastizität es heute ermöglichen, kranke Gehirne zu heilen, alten auf die Sprünge zu helfen und gesunde zu überraschenden Leistungen zu bringen.
Da ist etwa Cheryl, die durch einen Defekt in ihrem Gleichgewichtssinn ständig wähnte, ins Bodenlose zu fallen. Durch Übungen mit einem Helm, der die räumliche Orientierung registrierte und als elektrisches Signalmuster auf Cheryls Zunge übertrug, erlangte die 39-jährige Frau ein verblüffendes Maß an Standfestigkeit. Oder der 50-jährige Arzt, der nach einem Schlaganfall einen Arm nicht mehr bewegen konnte, und dem es gelang, die Leistung der abgestorbenen Hirnareale an einen anderen Ort in seinem Kopf zu verpflanzen. Der Trick bestand vor allem darin, den gesunden Arm abzubinden, sodass das Gehirn dazu gezwungen war, die Beweglichkeit auf der behinderten Seite neu zu lernen. Inzwischen kann der ehemals Gelähmte sogar wieder Tennis spielen.
Allerdings ist Doidge zu enthusiastisch, wenn er behauptet, dass der Formbarkeit durch Neuroplastizität keine Grenzen gesetzt sind. Das Gehirn ist nun mal nicht in der Lage, sich bei Alzheimer selbst zu reparieren – obwohl es im Hippocampus die dazu nötigen Stammzellen selbst produziert. Rolf Degen
Norman Doidge NEUSTART IM KOPF Campus, Frankfurt 2008 378 S., € 22,– ISBN 978-3-593-38534-1