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Molke für Motoren

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Molke für Motoren
Das Pulver für die Waschmaschine und der Treibstoff fürs Auto könnten schon in naher Zukunft von Kühen stammen.

Bei der Käsezubereitung bleiben beträchtliche Mengen Molke zurück. Dieses Milchwasser läßt sich mit einem neuen Verfahren in waschaktive Tenside und in billigen Biodiesel umwandeln.

Wenn die eiweiß-, kalzium- und phosporhaltige Molke die Meiereien verläßt, dient sie meist zunächst als Rohstoff für Babynahrung oder Arzneimittel. Was übrig bleibt, wird in die Kanalisation geleitet – in Deutschland jedes Jahr rund zehn Millionen Tonnen. Für die Klärwerke ein immenses Problem, denn der Abbau der Molke ist aufwendig und teuer. „Das Neutralisieren der Milchreste einer einzigen großen Käserei verbraucht doppelt soviel Sauerstoff wie die Behandlung der Abwässer einer Kleinstadt mit 12 000 Einwohnern“, rechnet Christoph Syldat vom Institut für Bioverfahrenstechnik der Universität Stuttgart vor. Gemeinsam mit seinem Institutskollegen Matthias Reuss hat er eine Methode für die industrielle Verwertung des Bioabfalls zum Patent angemeldet. Denn in der Restmolke schwimmt noch Milchzucker, für viele Mikroorganismen ein idealer Nährstoff. Bei dem neuen Verfahren wird die gekühlte, konzentrierte Molke zunächst zur Reinigung durch Filter gepreßt, sterilisiert und anschließend in einen Bioreaktor gefüllt. Dort wird die Flüssigkeit mit Cryptococcus curvatus „geimpft“ – einem Hefepilz, den amerikanische Wissenschaftler vor ein paar Jahren in den Abflüssen von Molkereien aufspürten und der auf der wässerigen Molke prächtig gedeiht.

Innerhalb von fünf Tagen setzen die Mikroben die Lactose vollständig in Fett um und lagern es als sogenanntes Single-Cell-Oil in ihrem Zellinneren. Nach der Abtrennung des Öls wandelt ein zweiter Hefepilz es in Sophorose-Lipid um. Dieses biologisch gut abbaubare Tensid wird als Reinigungsmittel in Waschpulvern gebraucht. Kosmetik-, Pharma- und Lebensmittel-Industrie haben ebenfalls einen enormen Bedarf an der grenzflächenaktiven Substanz. Rund 400 Gramm davon – nach Zusatz von einem Schuß billigem Pflanzenöl als Prozeß-Starter – holen die Stuttgarter Biotechniker mit der Hefetechnik aus einem Liter Molke. Doch bevor künftig die mikrobiologische Methode überall die Molkeverwertung übernimmt, muß sie ihre Praxistauglichkeit noch bei einem Großversuch beweisen, den die Stuttgarter Wissenschaftler demnächst zusammen mit der Abteilung für Lebensmitteltechnologie der Universität Ege im türkischen Izmir starten. Durch kleine Änderungen des technischen Ablaufs läßt sich statt der Tensid-Fette Biodiesel erzeugen. Verglichen mit der Ausbeute der bisherigen Prozeduren auf Rapsöl-Basis ist die Molke-Methode wesentlich effizienter. Zudem ist die Produktion weder saisonabhängig noch klimatischen Schwankungen unterworfen und beim Herstellen des Ausgangsstoffs werden weder Düngemittel noch Pestizide eingesetzt.

Mit ein paar Bioreaktoren auf ihrem Werksgelände könnten die Meiereien ihren Produktionsabfall künftig sogar selbst verwerten, statt für die Entsorgung noch zu zahlen. Der Sprit aus der Milch ließe sich für den eigenen Fuhrpark verwenden oder direkt vor Ort lukrativ absetzen. Geschätzter Verkaufspreis: weniger als eine Mark pro Liter.

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Niko Deussen

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