Die traditionelle indische Medizin setzt Weihrauch seit langem als entzündungshemmendes Arzneimittel ein. In Europa weckt das Gewächs meist nur die Erinnerung an duftgeschwängerte katholische Kirchen. Jedoch: „Einzelne Patienten haben mir begeistert von ihren Erfahrungen mit Weihrauchextrakt berichtet“, sagt Dr. Henning Gerhardt. Daraufhin initiierte der Leiter der Colitis-Crohn Ambulanz des Mannheimer Klinikums eine klinische Studie, an der sich 100 Patienten mit akutem Morbus Crohn beteiligten. Diese chronische Darmerkrankung, deren Ursache nicht bekannt ist, führt immer wieder zu schmerzhaften Entzündungsschüben, die mit schwerem Durchfall und Gewichtsverlust verbunden sind. Entzündungshemmende Medikamente, wie zum Beispiel Cortison und Salicylsäure, können die schmerzhaften Symptome zwar effektiv bekämpfen, doch leiden viele Kranke unter ihren Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Wassereinlagerung, starke Hautveränderungen, Osteoporose und Augenschäden.
Das Ergebnis der Untersuchung: „Die indischen Weihrauchtabletten wirken mindestens genauso gut wie ein Salicyl-Vergleichsmedikament, das herkömmlich in der Morbus- Crohn-Therapie eingesetzt wird“, sagt Gerhardt. „Bauchkrämpfe, Schmerzen und Durchfälle besserten sich deutlich.“
Dabei ist das pflanzliche Mittel, das aus Indien importiert wird, besonders gut verträglich: Trotz täglicher Einnahme während eines längeren Zeitraums klagten die Kranken nur selten über Nebenwirkungen wie trokkene und gerötete Haut oder Übelkeit. Erst vor wenigen Jahren entschlüsselten Pharmakologen die wirksame Substanz im Harz des indischen Weihrauchs: Sogenannte Boswelliasäuren blockieren ein bestimmtes Enzym, das für die Bildung von Botenstoffen – den Leukotrienen – zuständig ist. Diese Leukotriene setzen entzündliche Prozesse in Gang. Der Pflanzenwirkstoff greift damit an einer anderen Stelle als die herkömmlichen Arzneimittel in den Entzündungsmechanismus ein – offenbar ohne den Organismus zu belasten.
Auch andere chronisch Kranke können auf Linderung ohne lästige Nebenwirkungen hoffen: Erste Untersuchungen und Einzelfallbeobachtungen weisen darauf hin, daß Patienten mit Rheuma, chronischer Bronchitis und Multipler Sklerose von der entzündungshemmenden Wirkung der Boswelliasäuren profitieren. Zudem führten Laborexperimente mit Zellkulturen zu einem überraschenden Ergebnis: Boswelliasäuren sind anscheinend in der Lage, bestimmte bösartige Tumorzellen zu zerstören.
Carola Pfeifer