Warum ist das Eis der Antarktis auf dem Rückzug? Was hat der Mensch damit zu tun? Die Grundlinie des westantarktischen Eisschilds ist seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren um 1300 Kilometer zurückgegangen, berichtete der amerikanische Glaziologe Prof. George Denton von der University of Maine. Vor 6800 Jahren ragte der Eisschild noch 650 Kilometer weiter ins Meer als heute. Sicher ist für den Wissenschaftler, daß der Mensch nicht die Ursache dafür ist, denn der Prozeß begann im frühen Holozän, also mehr als 10000 Jahre vor der Bevölkerungsexplosion oder der Industrialisierung.
Ein anderes klimatisches System dagegen, der Nordatlantikstrom, droht durch den Menschen aus dem Gleichgewicht zu geraten. Mit fatalen Folgen, so der Klimaforscher Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung: Die Meeresströmung ist die Zentralheizung für Europa – fällt sie aus, wird es empfindlich kalt. Landwirtschaft wäre kaum noch möglich. So könnte der nördliche Ast des Golfstroms durcheinandergeraten: Das nach Norden strömende warme Wasser sinkt im Nordatlantik auf über 2000 Meter Tiefe ab und fließt nach Süden zurück. Der Salzgehalt ist der Motor dieser Strömung, denn durch das Salz ist das Wasser schwer genug, um zu sinken. Steigen die Temperaturen, gibt es aber mehr Niederschläge, die wiederum das Salzwasser verdünnen. Das kann so weit gehen, daß der Motor nicht mehr funktioniert. Wann die Strömung abbricht, weiß Rahmstorf nicht, denn das Klima ist ein nicht-lineares System. Es kann ganz plötzlich umschlagen. So ist etwa die Sahara, die einstmals grün war, relativ rasch zur Wüste geworden. Die Bedingungen hatten sich lange vor diesem Zeitpunkt verschlechtert. Erst als ein bestimmter Punkt überschritten war, kam es zu drastischen Klimaveränderungen.
Doch diese Klimakapriolen liefen ohne menschliches Zutun ab. Prof. Hartmut Graßl, der ehemalige Direktor des Welt-Klimaforschungs-Programms, ist überzeugt, daß der Mensch heute selbst das Klima nachdrücklich beeinflußt und daß eine weitreichende Klimaänderung nicht mehr verhindert werden kann. Er setzt auf die Auswirkungen des Kyoto-Protokolls von 1997, in dem sich die Industrienationen zu einer Verminderung ihrer Treibhausgas-Emissionen verpflichten. Treibhausgase sind für Graßl der Schlüsselfaktor. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich stark verändert. Die Treibhausgase absorbieren die Wärmestrahlung stärker als die Sonnenstrahlung. Wenn sich ihre Konzentration erhöht, erwärmen sich Erdoberfläche und Troposphäre erheblich.
Gefragt nach den Zukunftsaussichten für kommende Generationen, äußerten sich die drei Wissenschaftler zurückhaltend. „Wir sollten versuchen, das Schlimmste zu verhindern“, sagte Rahmstorf. Graßl hofft auf die zunehmende Einsicht von Politikern und Unternehmern. George Denton schließlich unterstrich, daß das Verständnis vergangener Veränderungen der wichtigste Schlüssel ist für alle Prognosen rund um das Klima.
Doris Marszk