Wieder Nichts
Einmal mehr leer ausgegangen sind die deutschen Forschungsorganisationen bei der diesjährigen Nobelpreisvergabe. Es ist nun schon sieben Jahre her, dass mit der Tübinger Entwicklungsbiologin Christiane Nüsslein-Volhard und dem in Mainz arbeitenden niederländischen Atmosphärenforscher Paul Crutzen zwei Koryphäen der deutschen Wissenschaftslandschaft im Nobel-Wettbewerb vorne lagen. Anders steht es um die Schweiz. Sowohl der 1996 gekürte Mediziner Rolf Zinkernagel als auch der in diesem Jahr ausgezeichnete Biophysiker Kurt Wüthrich forschen in der Schweiz und stellen der dortigen Wissenschaft so ein hervorragendes Zeugnis aus. Was sind die Ursachen der deutschen Malaise? Fehlt es lediglich an dem berühmten Quäntchen Glück? Liegt es an der schlechteren Bezahlung der Spitzenforscher? Ist die Forschung so im Klammergriff deutscher Bürokratie, dass geistige Substanz verkommt? Operieren die deutschen Forscher weniger erfolgreich, wenn es um internationales Lobbying geht? Oder gibt es tatsächlich mehr Kreative an führenden ausländischen Forschungseinrichtungen als an unseren Renommier-Instituten?
Fragen über Fragen. Sie in aller Öffentlichkeit zu diskutieren, ist angesichts der Nobelpreis-Misere deutscher Forschungseinrichtungen dringlich. Denn wenn Stars fehlen – und dies sind Nobelpreisträger –, nimmt das gerade gewachsene Publikumsinteresse für Wissenschaft rasch wieder ab. Das ist nicht anders als beim Film, in der Musik oder beim Sport. Wir brauchen Anerkennungen, die weit über die enge Wissenschaftlergemeinde hinaus wirken. Bleiben sie aus, wird es für die Wissenschaftsmanager schwierig, Politikern überdurchschnittliche Steigerungsraten bei Forschungsetats abzuringen. Diese stiegen von 1995 bis 2001 bei der Helmholtz-Gemeinschaft um 19 Prozent, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft um 26 und bei der Max-Planck-Gesellschaft um 41 Prozent. Das Budget des Bundesforschungsministeriums dagegen wuchs von 1995 bis 2002 nur um 12 Prozent.
Wolfgang Hess