Weinzähne wissen es: Das Weinglas hat Einfluss auf den Genuss, weil es durch seine Form die Verteilung des „Bouquets” unter der Nase steuert. Doch US-Forscherin Kari Russell von der University of Tennessee in Knoxville fand obendrein: Die Glasform beeinflusst chemische Reaktionen zwischen Wein und Luftsauerstoff. Russell analysierte in einem Rotwein aus der Merlot-Traube den Gehalt an Phenolen – Molekülen mit einem Benzolgerüst, an dem Hydroxylgruppen hängen – vor und nach dem Eingießen in eine Sektflöte, ein Martini- und ein Bordeauxglas. Direkt nach dem Eingießen beobachtete sie, dass die Konzentration an dem GallussäurePhenol in allen drei Gläsern anstieg. 10 bis 20 Minuten später lag die Gallussäure-Konzentration im Martiniglas und in der Sektflöte immer noch hoch. Doch im Bordeauxglas war sie gesunken – eine Folge der größeren Kontaktfläche zwischen Wein und Luftsauerstoff, meint Russell: Sauerstoff fördert die Reaktion von Gallussäure mit Catechinen zu Catechin-Gallat-Estern. Diese fällen im Mund Eiweißstoffe aus und erzeugen dadurch die „trockene” Geschmacksnote, die Weinkenner schätzen.
Hans Groth