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Ohne Krabbeln keine Rechtschreibung?

Allgemein

Ohne Krabbeln keine Rechtschreibung?

Pauken ist bei einer Legasthenie fruchtlos. Viele Eltern wenden sich deshalb an kommerzielle Anbieter, die einen schnellen Erfolg versprechen. Doch etliche dieser Angebote sind wissenschaftlich kaum oder gar nicht fundiert. „Die Gefahr ist groß, dass sie keinerlei Nutzen bringen und sogar Schaden anrichten können, weil dadurch sinnvolle Maßnahmen unterlassen werden”, warnt Prof. Waldemar von Suchodoletz vom Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität München. Er und seine Mitarbeiter haben dieses Jahr erstmals ein gemeinsames Symposium mit Verfechtern alternativer Methoden und wissenschaftlich begründeter Verfahren organisiert. Vier Prozent aller deutschen jungen Erwachsenen erreichen wegen einer Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) nur das durchschnittliche Rechtschreibniveau eines Viertklässlers. Als Hauptursache für diese Störung sehen Forscher eine genetische Veranlagung. Eines der Alternativ-Verfahren, das sich großer Beliebtheit erfreut, ist die aus den USA stammende „Edu-Kinestetik”, auch „BrainGym” genannt. Ihre Verfechter behaupten, die Ursachen einer LRS lägen in einer mangelnden Koordination zwischen linker und rechter Hirnhälfte, und die meisten Legastheniker hätten in ihrer frühkindlichen Entwicklung das Krabbel-Stadium übersprungen. Dieses sei jedoch entscheidend für das Zusammenspiel der zwei Hemisphären, da jeweils das linke Bein zusammen mit dem rechten Arm bewegt würde und umgekehrt. Angeblich sei eine solche Schwäche durch einen speziellen „Präzisionsmuskeltest” messbar: Das Kind streckt dabei einen Arm hervor, und der Therapeut versucht, ihn nach unten zu drücken. Gelingt es ihm leicht, wird das als deutlicher Hinweis auf eine bestehende LRS gesehen. Vertreter der Edu-Kinestetik wollen durch Bewegungsübungen die beiden Hirnhälften wieder in Einklang bringen. Beispielsweise werden mit den Händen Achten in die Luft gezeichnet. Von Suchodoletz kennt jedoch keine einzige wissenschaftliche Untersuchung, die den Nutzen der Edu-Kinestetik auch nur ansatzweise belegen könnte. Trotzdem hält er es für möglich, dass sie in Einzelfällen hilft. „Das liegt am Charisma des Therapeuten, dessen Begeisterung und Optimismus”, sagt er. Aus solchen Erkenntnissen kann die Lernpsychologie durchaus profitieren: Wichtig ist auch für eine wissenschaftlich abgesicherte LRS-Therapie das Umfeld. Spaß, Musik und Bewegung können eine sinnvolle Ergänzung sein und den Kindern mehr Selbstsicherheit geben und ihnen Versagensängste nehmen. Eltern rät er, die Legasthenie-Programme genau unter die Lupe zu nehmen. „Fragen Sie den Schulpsychologen nach der Methode, und machen Sie die ersten Stunden selbst mit.” Wenn ein Anbieter dazu nicht bereit sei, wäre dies dubios. Ganz wichtig: Die Behandlung einer Legasthenie sollte immer an einer anderen Stelle erfolgen als die Diagnose. Sonst schaffe sich möglicherweise das Angebot seine eigene Nachfrage. Die Erfahrung zeige, dass nur Verfahren, die direkt am Lesen und Schreiben ansetzen, nachweislich Erfolge bringen. Alternative Methoden könnten eine gezielte Förderung bestenfalls ergänzen, nicht aber ersetzen.

Ulrich Frick

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