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Warme Luft statt Wasserstoff

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Warme Luft statt Wasserstoff

Es war der Knaller des Jahrzehnts. Sie hätten ein außergewöhnliches Material entdeckt, jubelte Anfang 1997 das amerikanisch-britische Forscherehepaar Nelly Rodriguez und Terry Baker: 75 Prozent des Eigengewichts könnten ihre „ Graphit-Nanofasern“ an Wasserstoff aufnehmen. Mit einem Tank aus diesem Material könnte ein wasserstoffgetriebenes Auto 8000 Kilometer weit fahren. Die Energiezukunft der Welt schien plötzlich auf filigranen Strukturen aus Kohlenstoff-Atomen zu ruhen. bild der wissenschaft berichtete darüber im Juni 1999.

Aber bald trug die glänzende Vision einen häßlichen Fleck: Der Daimler-Chrysler-Konzern, der mit Rodriguez‘ und Bakers neu gegründeter Firma Catalytic Materials eine Kooperation vereinbart hatte, verzichtete dankend auf eine Verlängerung des Engagements. Die 75 Gewichtsprozent Wasserstoff-Spei-cherfähigkeit hatten sich nicht bestätigt. Andererseits war Kohlenstoff-Nanotubes (Nanoröhrchen) wohl doch einiges zuzutrauen: Eine Arbeitsgruppe in Singapur berichtete, sie habe 20 Gewichtsprozent Wasserstoff in Nanotubes untergebracht. Der US-Wissenschaftler Michael Heben vom National Renewable Energy Laboratory gab 6 bis 8 Gewichtsprozent zu Protokoll.

Selbst das wäre vielversprechend: Das VDI-Technologiezentrum in Düsseldorf ermittelte 6,5 Gewichtsprozent Beladung eines Nanotube-Tanks mit Wasserstoff als erforderlich, um ein Brennstoffzellen-Auto wirtschaftlich zu betreiben. Also doch der Wasserstoffspeicher der Zukunft? Das wollte auch das Bundesforschungsministerium wissen. Seit August 1999 fördert es mit zwei Millionen Mark das Projekt „H2-Carbonspeicher“, um den Nebel zu lichten. Im Juli 2001 endet das Vorhaben, in dem fünf deutsche Forschungsinstitute kooperieren. Holger Hoffschulz vom VDI-Technologiezentrum, Sprecher des Projekts, zieht Zwischenbilanz: „Die Befunde sind negativ. Trotzdem sind wir nicht enttäuscht. Denn wir schaffen Klarheit, was Nanotubes wirklich können – und was nicht.“

Dazu gehört auch, die Experimente anderer nachzuvollzie-hen. Hoffschulz: „Die Singapurer Kollegen beispielsweise ha-ben versucht, mit Kalium und Lithium dotierte Nanoröhrchen herzustellen. Bei den Beladungsmessungen haben sie leider nicht mit trockenem Wasserstoffgas gearbeitet, da war Wasserdampf drin. In dem Material waren jedoch beim Dotierungsversuch Salze entstanden, die Wasser begierig aufnehmen – und genau das geschah. Wie wir festgestellt haben, kommen die 20 Prozent Gewichtszunahme größtenteils durch Wasser zustande.“ Unsauber gearbeitet hatte offenbar auch Michael Heben: Beim Zerkleinern der Nanotubes per Ultraschall seien ihm wohl von einem Titan-Rührstab Metallpartikel in die Probe geraten, meint Hoffschulz. Titan lagert viel Wasserstoff ein. Projektteilnehmer Siegmar Roth vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart-Büsnau faßt zusammen: „Nanotubes speichern bei Raumtemperatur und Umgebungs-druck weniger als ein Gewichtsprozent Wasserstoff.“ Dieses Fazit zog auch ein Büsnauer Institutskollege auf der Bostoner Jah-restagung der Materials Research Society im November 2000 – zum Ärger des ebenfalls anwesenden Michael Heben, der seine Sechs-Prozent-Marke mit Zähnen und Klauen verteidigte. Es kam zum Eklat: Wütend rauschte Heben aus dem Saal.

Siegmar Roth kommentiert: „Ein Glück, daß Forschungsprojekte in Europa auch mal mit einem negativen Resultat enden dürfen. Europäische Forscher liefern daher recht verläßliche Daten – anderswo stehen die Kollegen anscheinend zu sehr unter Erfolgszwang.“

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