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Blühende Phantasie

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Blühende Phantasie
Auf das Gedächtnis ist wenig Verlaß. Britische Psychologen haben nachgewiesen, daß die Schilderung eines Vorfalls um so phantastischer ausfällt, je länger das Ereignis zrückliegt.

Zeugenaussagen haben Gewicht. Wer etwas mit „eigenen Augen gesehen“ hat, findet Gehör. Doch was der Mensch wirklich wahrnimmt, entscheiden nicht seine Augen, sondern sein Gehirn – und erst recht, an was er sich später erinnert. Anders als den Lichtsinnesorganen ist dem Denkorgan nicht immer zu trauen – Realität und Fiktion geraten schon mal durcheinander. Wie glaubhaft sind zum Beispiel Wunder und andere übernatürliche Phänomene?

Der indische Seiltrick ist ein gutes Beispiel: Er ist nicht nur Bestandteil der buddhistischen Mythologie und indischen Philosophie, sondern wird seit dem 14. Jahrhundert auch immer wieder von Augenzeugen beschrieben. Ein Magier, so will es die Legende, wirft ein Seil in die Höhe, das steif in der Luft stehen bleibt. Ein Junge klettert daran hoch und verschwindet. Nach vergeblichem Rufen klettert der Magier mit einem Messer bewaffnet hinterher und verschwindet ebenfalls. Dann fallen Körperteile des Jungen herab, und der Magier läßt sich wieder am Seil herunter. Er wirft die Leichenteile in einen Korb – Hokuspokus -, dem der gesunde Junge entsteigt.

Um den Wahrheitsgehalt von 21 „hieb- und stichfesten“ Augenzeugenberichten zu überprüfen, teilten die britischen Psychologen Richard Wiseman und Peter Lamont von der University of Herfordshire sie in fünf Kategorien ein: Kategorie eins entspricht der simpelsten Variante (der Junge klettert das Seil hoch und wieder herunter), Kategorie fünf der komplexesten mit der vollständigen Geschichte.

Nun trugen die Psychologen die Berichte als Punkte in eine Grafik ein, bei der die eine Koordinate den Komplexitätsgrad angibt und die andere Koordinate die Zeit, die seit der Beobachtung vergangen war. Die Punkte ergaben eine diagonal durch die Grafik verlaufende Gerade, woraus sich ablesen läßt, daß die Beschreibung um so wunderbarer ausfällt, je länger die Beobachtung zurückliegt. Die Gerade geht sogar durch den Nullpunkt der Grafik, wo sich die Achsen schneiden. Das heißt: Wären die Berichte an Ort und Stelle verfaßt worden, hätte es gar kein Wunder gegeben.

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Zu welch üblen Täuschungen das Gehirn fähig ist, verdeutlicht der „frischeste“ Seiltrick-Bericht: Nur zwei Jahre nachdem eine Frau das Kunststück beobachtet hatte, schrieb sie den Vorfall mitsamt der Anmerkung nieder, den Trick auch auf Zelluloid gebannt zu haben. Die Fotografie allerdings stellt dem Gedächtnis der Zeugin ein schlechtes Zeugnis aus: Sie zeigt einen Jungen, der eindeutig einen Bambusstab hochklettert.

Christian Weymayr

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