Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Joker und Nieten

Technik|Digitales

Joker und Nieten
Brennstoffzellen scheitern immer wieder an technischen Problemen und teurer Herstellung. Doch mancherorts sind sie erfolgreich im Einsatz – zum Beispiel beim Campen und auf hoher See. Auch Autos mit Zelle sollen bald beim Händler sein.

Der unscheinbare graue Kasten war ein Star auf der Computermesse CeBIT im März 2003: ein Brennstoffzellen-Gerät von Toshiba, mit dem sich ein Laptop bis zu fünf Stunden lang mit elektrischem Strom versorgen ließ – unabhängig von Stromnetz und Akku. Dazu musste man den ausdauernden Stromspender auf den Rechner stecken und mit einer Methanol-Kartusche versehen. Aus dem Methanol erzeugte das Aggregat zusammen mit Sauerstoff aus der Luft Wasser und elektrische Energie – Power für den Computer (siehe Grafik S. 83 „Power aus der Zelle“). War die Methanol-Kartusche leer, ließ sie sich mit wenigen Handgriffen abnehmen und durch eine neue ersetzen. So einfach ging das auf dem Messestand. Ein langwieriges Aufladen von Akkus sei fortan passé, frohlockte man bei Toshiba. Für 2004 versprachen die Japaner erste Produkte. Und die Experten des schweizerischen Unternehmensberatungsvereins Deloitte sahen ein Jahr später bereits einen großen Markt für kleine Brennstoffzellen in tragbaren elektronischen Geräten.

Allerdings: Das auf der CeBIT präsentierte Brennstoffzellen-Gerät war recht sperrig – etwa halb so groß wie der Laptop, fast doppelt so dick und fast ein Kilogramm schwer. Auch sonst hatte die Technik ihre Macken. Über das Stadium als Prototyp kam das Gerät jedenfalls nicht hinaus. Bis heute sucht man bei Media Markt & Co vergeblich nach tragbaren Rechnern, Handys, Digitalkameras oder Navigationsgeräten, die von Brennstoffzellen mit Strom gespeist werden. „Man war damals zu optimistisch und hat die technischen Herausforderungen unterschätzt“, meint Ulf Groos, der am Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE den Bereich Brennstoffzellen-Systeme leitet und die Schwierigkeiten aus eigener Erfahrung kennt. Vor allem der Versuch, die Zellen samt Zusatzbauteilen so weit zu schrumpfen, dass sie in ein handliches elektronisches Gerät hineinpassen, erfordert völlig neue Ansätze: „Um den flüssigen Brennstoff zu- und das in der Zelle entstehende Wasser abzuführen, werden typischerweise Pumpen eingesetzt, die sich nicht beliebig verkleinern lassen“, nennt Groos das Problem. Außerdem kann durch Luftschlitze Schmutz ins Gerät gelangen. Dazu kommt, dass Batterien in der letzten Zeit bei Leistung und Ausdauer deutlich aufgeholt haben.

Zellen für den Segeltörn

Aber die Zellen haben Nischen gefunden: „Brennstoffzellen erobern derzeit den Freizeitmarkt“, berichtet Groos. So hat das Unternehmen Smart Fuel Cell aus Brunnthal bei München bereits über 15 000 kompakte Brennstoffzellen-Systeme verkauft: als Stromerzeuger etwa für Wohnmobile, Segelyachten oder auf dem Campingplatz. Und Toshiba bietet seit Ende 2009 in Japan eine Ladeeinheit für Akkus von Elektronikgeräten an, die den Strom aus Brennstoffzellen bezieht. Auch die Forschung bei Laptop, Handy & Co geht weiter. So versucht Ulf Groos mit seinem Team, ein extrem winziges Brennstoffzellen-System zu entwickeln, das ohne Pumpen auskommt und stattdessen mit Kapillarkräften und passiven Verdampfern arbeitet. Doch die Probleme, mit denen sich die Forscher bei tragbaren elektronischen Geräten herumplagen müssen, sind symptomatisch für die Brennstoffzellen-Technik insgesamt. Verzwickte technische Details, die schwierige Versorgung mit dem nötigen Brennstoff und vor allem hohe Kosten verhinderten bisher, dass sie auf breiter Front in Alltagsprodukten Einzug hielt.

Dabei wird um den kommerziellen Erfolg der Brennstoffzellen hartnäckig weiter gerungen. Denn ihre Vorteile sind für viele Anwendungen bestechend. Man braucht sie nicht zeitraubend aufzuladen wie einen leeren Akku. Sie haben einen weit höheren Wirkungsgrad bei der Energieumwandlung als ein Verbrennungsmotor. Beim Betrieb einer Brennstoffzelle entstehen weder Lärm noch schädliche Abgase. Und: Die sanften Kraftprotze lassen sich in fast jeder beliebigen Größe bauen. Allerdings zu einem hohen Preis: „Langlebigkeit und Zuverlässigkeit der Zellen werden derzeit noch häufig durch den Einsatz teurer Materialien und Komponenten erkauft“, stellt Detlef Stolten fest, Professor für Brennstoffzellen an der RWTH Aachen und Leiter am Institut für Energieforschung des Forschungszentrums Jülich. Das ist die wichtigste Stellschraube, an der Forscher und Ingenieure derzeit drehen, um die Zellen doch noch zum Renner zu machen.

Anzeige

Energiebündel für Bierbrauer

Das gilt beispielsweise für ein dezentrales Kraftwerk der Firma MTU Onsite energy aus Friedrichshafen am Bodensee, einer Tochter der Tognum AG. Das „HotModule“, dessen Herzstück ein Stapel (Stack) aus etlichen Hochtemperatur-Brennstoffzellen vom Schmelzkarbonat-Typ (siehe Infokasten S. 84: „ Brennstoffzellen-Typen“) ist, kann Fabriken, Krankenhäuser oder Schulen mit Energie versorgen. Es bringt 250 Kilowatt Leistung bei einem elektrischen Wirkungsgrad von rund 50 Prozent. Als Brennstoff dient Biogas, Erdgas oder künftig wohl auch Diesel. Nutzt man zusätzlich noch die Abwärme bei der Stromerzeugung, steigt der Wirkungsgrad auf bis zu 90 Prozent. Ein solches Brennstoffzellen-Kleinkraftwerk versorgt das Münchner Rechenzentrum von T-Systems mit Strom und Kühlung für die Rechnerhalle. Eine weitere Anlage verrichtet ihren Dienst bei der Brauerei Erdinger Weißbräu. Und ein HotModule-Aggregat ist auch auf See unterwegs: an Bord der „Sea Viking“, eines norwegischen Versorgungsschiffs für Förderplattformen in der Nordsee. Doch die Energiebündel vom Bodensee sind Prototypen, die – bislang staatlich subventioniert – bei Kunden im Testbetrieb laufen. „Bei den Kosten muss noch was passieren“, sagt Wolfgang Winkler, Leiter des Instituts für Energiesysteme und BrennstoffzellenTechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg.

Das gilt auch für Brennstoffzellen-Heizgeräte, die Wohngebäude mit elektrischem Strom und Wärme versorgen – nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Die Anlagen mit rund einem Kilowatt Leistung laufen mit Erdgas und künftig auch mit Bio-Erdgas. Das Erdgas wird in einer Vorstufe zunächst in Wasserstoff und Kohlendioxid umgewandelt. Der Wasserstoff dient dann als Brennstoff in der Zelle. Eine integrierte konventionelle Gastherme springt ein, wenn besonders viel Wärme benötigt wird. „ Unsere Geräte decken den Wärmebedarf eines Einfamilienhauses, zum Heizen und für die Warmwasserbereitung ab“, sagt Guido Gummert, Geschäftsführer von Baxi Innotech in Hamburg. „Und sie liefern 70 Prozent des benötigten Stroms.“ Der restliche Strom kommt aus dem Netz. „Die Vorteile der Brennstoffzellen-Technik gegenüber konventionellen mit kleinen Motoren betriebenen Blockheizkraftwerken sind der extrem leise Betrieb und in der höhere Wirkungsgrad“, erklärt Joachim Berg, Entwicklungsleiter Kraft-Wärme-Kopplung bei dem Remscheider Heizungshersteller Vaillant. „Er liegt für die Stromerzeugung bei 30 bis 40 Prozent.“ Der Gesamtwirkungsgrad für Strom und Wärme beträgt über 80 Prozent. „Das führt zu einem enormen CO2-Einsparpotenzial von bis zu 80 Prozent verglichen mit einem herkömmlichen Brennwertgerät“, sagt Guido Gummert.

800 Heizgeräte für Wohnhäuser

Seit Ende der 1990er-Jahre entwickeln diverse Unternehmen Heizgeräte mit Brennstoffzellen. Die aktuellen Geräte-Generationen der Hersteller werden im Rahmen des „Callux“ -Programms bei Testkunden in Ein- und Zweifamilienhäusern auf Herz und Nieren geprüft. Das Projekt Callux, das 2008 startete und bis Ende 2015 läuft, wird vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gefördert. Daran beteiligt sind Energieversorgungsunternehmen, Gerätehersteller und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), das die wissenschaftliche Begleitung und Koordination übernommen hat. Ziel ist es, die Brennstoffzellen-Heizgeräte fit für den serienmäßigen Einsatz zu machen. Dazu werden bis Ende 2012 bis zu 800 Geräte installiert.

Seit März 2010 läuft im Rahmen von Callux ein Brennstoffzellen-Heizgerät von Hexis in der Kindertagesstätte „ Energiebündel“ der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, neben dem Verwaltungszentrum EnBW City in Stuttgart. Die Anlage, die etwa so groß ist wie ein Kühlschrank, ist mit einem Wärmespeicher gekoppelt und hat ein zusätzliches konventionelles Gas-Brennwertgerät eingebaut. Es dient dazu, Leistungsspitzen abzudecken, etwa an sehr kalten Tagen. In den Speicher fließt Wärme, die bei der Stromerzeugung entsteht und zunächst nicht gebraucht wird. „Brennstoffzellen-Heizgeräte können – wie alle KWK-Technologien – ihre Vorteile dort ausspielen, wo ganzjährig ein relativ hoher Wärmebedarf für Heizung oder Warmwasserbereitung besteht und daher die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme auch im Sommer vollständig genutzt wird“, erklärt Markus Edel, Projektleiter Brennstoffzellen bei der EnBW. Für den Einsatz in reinen Verwaltungsgebäuden sind sie aufgrund des fehlenden Warmwasserbedarfs daher in aller Regel nicht geeignet. Bei vielen Wohnhäusern und Gewerbebetrieben sieht Edel jedoch ein großes Potenzial, zumal die Technik enorme Fortschritte gemacht hat: „Seit wir Ende 2001 mit Tests der ersten Prototypen verschiedener Hersteller begonnen haben, sind die Geräte viel kompakter und zuverlässiger geworden und einfacher zu handhaben“, freut sich Edel.

Dass trotzdem noch viel zu tun ist, belegt der Bericht „ Energietechnologien 2050″, der von Forschern am Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt und im Mai 2009 vorgestellt wurde. Darin heißt es: „Demonstrationsprojekte und Labortests zeigen, dass die Langzeitstabilität von Zellkomponenten verbesserungsbedürftig ist.“ Außerdem mangele es an der Zuverlässigkeit des Gesamtsystems, da keine speziell auf Brennstoffzellen zugeschnittenen Komponenten wie Wärmetauscher, Pumpen und Sensoren zur Verfügung stünden.

Wettstreit zwischen Heiss und kalt

Entsprechend hielt bisher vor allem die Frage nach der Lebensdauer der Brennstoffzellen-Stapel die Techniker auf Trab. Als Zielmarke gelten 40 000 Stunden. „Das sind bei einer realistischen Laufzeit von 5000 Stunden im Jahr rund acht Jahre“, sagt Guido Gummert, Chef der Baxi Innotech, und meldet: „Wir haben dieses Thema abgehakt. Die Brennstoffzellen-Stapel in der neuesten Generation unserer Geräte erfüllen die Anforderungen.“ Technologisch setzt das Unternehmen auf Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzellen (PEMFC) – im Gegensatz zu Wettbewerbern wie Hexis, Vaillant und dem australischen Unternehmen Ceramic Fuel Cells, das im rheinischen Heinsberg eine Fabrik für Kleinstromversorger errichtet hat. Diese Firmen favorisieren Festoxid-Brennstoffzellen. Diese SOFC werden bei über 900 Grad Celsius betrieben. Ein Vorteil ist ihr höherer Wirkungsgrad. Allerdings reagieren sie beim Ein- und Ausschalten der Anlage träger als die bei viel moderateren Temperaturen von 70 Grad Celsius laufenden PEM-Zellen. Dennoch hat man bei Vaillant die Entwicklung solcher Anlagen inzwischen eingestellt und konzentriert sich ganz auf keramische Hochtemperaturzellen, berichtet Entwicklungsleiter Berg. „Die Zellen benötigen einen extrem reinen Brennstoff, den ein integrierter Reformer aufwendig aus dem Erdgas gewinnen muss.“ Das macht PEM-Heizgeräte relativ komplex und empfindlich. Festoxid-Brennstoffzellen sind dagegen fast Allesfresser und nicht auf eine komplizierte chemische Aufbereitung des Brennstoffs angewiesen.

Bei der Weiterentwicklung der SOFC-Technologie kooperiert Vaillant seit Ende 2008 mit Forschern des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden. Nach wie vor heikel sind die Kosten. „Solange nur wenige Geräte produziert werden, sind keine konkurrenzfähigen Preise möglich“, stellt Angelika Heinzel fest, Inhaberin des Lehrstuhls für Energietechnik am Institut für Energie- und Umweltverfahrenstechnik der Universität Duisburg-Essen und wissenschaftliche Leiterin des Duisburger Zentrums für Brennstoffzellen Technik (ZBT): „Eine wesentliche Kostensenkung lässt sich nur über Massenfertigung erreichen.“ Gute Chancen für Brennstoffzellen-Heizgeräte sieht der Jülicher Energieforscher Detlef Stolten vor allem bei der energetischen Sanierung von Altbauten: „In neu errichteten Gebäuden sind sie dagegen häufig nicht sinnvoll.“ Denn deren Energiebedarf ist so klein, dass sich ein solches Heizgerät nicht rentiert.

Auto als rollendes labor

Mehr Erfolgschancen sieht Stolten bei Automobilen. Mehrere Hundert Prototypen solcher Fahrzeuge sind weltweit unterwegs. Die Entwicklung begann Anfang der 1990er-Jahre, als die Behörden in Kalifornien die Automobilhersteller zum Bau von „ Nullemissions-Fahrzeugen“ drängten: Wagen, die während der Fahrt die Luft nicht mit Schadstoffen belasten. Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sind eine Option dafür – oder eben Autos, in denen Brennstoffzellen den Strom für einen Elektromotor generieren. Wegweisend bei der Entwicklung war der Stuttgarter Daimler-Konzern. Die Forscher und Entwickler bei Daimler schufen eine Reihe von Pkw, Bussen und Transportern mit Brennstoffzellen-Antrieb. Die Wagen glichen zwar anfangs rollenden Forschungslabors, doch mit jeder neuen Generation wurden die Systeme reifer, zuverlässiger und kleiner. Die Verantwortlichen in Stuttgart stimmte das so optimistisch, dass sie Ende der 1990er-Jahre die baldige Serieneinführung von Brennstoffzellen-Autos in Aussicht stellten. Doch die ließ auf sich warten. „Bei uns im Unternehmen war man damals zu euphorisch“ , räumt Herbert Kohler ein, Leiter E-Drive and Future Mobility bei Daimler. Die Probleme bei den technischen Details wurden von den Autobauern unterschätzt. „Es war ein völlig neuer Antriebsstrang nötig“, erklärt Kohler, „und der musste erst einmal entwickelt werden. Das brauchte seine Zeit.“

Preistreiber Platin

Doch es hat sich viel getan. „Wir haben in den letzten Jahren die Kaltstartfähigkeit der Brennstoffzellen-Fahrzeuge deutlich verbessert“, berichtet Herbert Kohler. Während früher die Zellen schon bei harmlosen Minusgraden einzufrieren und kaputt zu gehen drohten, sind heute selbst Temperaturen bis minus 20 Grad Celsius kein Problem mehr. Auch die Haltbarkeit der Brennstoffzellen und ihrer Komponenten konnten die Ingenieure verbessern. Und die Kosten wurden drastisch gesenkt. „Dazu trug vor allem eine Reduzierung des Platin-Gehalts in den Zellen um 90 Prozent bei“, sagt Kohler. In der verwendeten PEM-Zelle dient die Platin-Beschichtung auf der Membran als Katalysator, um die chemischen Reaktionen in der Zelle zu beschleunigen und so für mehr Leistung zu sorgen. Mithilfe der Nanotechnologie gelang es, die reaktive Oberfläche der Membran stark zu vergrößern, sodass für die gleiche Leistung wesentlich weniger Platin nötig ist. Doch es stecken immer noch rund 60 Gramm des teuren Materials im automobilen Brennstoffzellen-System, die etwa 3000 Euro kosten. Zwar geht man bei dem Stuttgarter Automobilkonzern davon aus, dass mit Benzin oder Diesel betriebene Fahrzeuge auf absehbare Zeit weiter dominieren werden. Doch Daimler-Forscher Kohler ist überzeugt, dass schon bald in etlichen Autos Brennstoffzellen stecken – und damit steht er nicht allein: Im Herbst 2009 verständigten sich neun Automobilhersteller auf die Erklärung, Brennstoffzellen-Fahrzeuge bis 2015 am Markt einzuführen.

Detlef Stolten war skeptisch, als der Markteintritt vor einigen Jahren für 2004 angekündigt wurde. Die heutigen Ankündigungen der Autoindustrie hält er aber für realistisch und belastbar. „Die Systeme, die es gibt, sind sehr gut und robust“, sagt der Wissenschaftler. „Und das Know-how ist über viele Firmen verteilt.“ Neben einer weiteren Senkung der Herstellkosten geht es darum, die Brennstoffzellen langlebiger zu machen. Heute halten sie im Schnitt 100 000 bis 150 000 Kilometer durch. Als Ziel peilen die Ingenieure 250 000 Kilometer an. Ein Beispiel, was die Brennstoffzellen-Technik im Auto inzwischen leisten kann, gibt die Brennstoffzellen-Version der B-Klasse von Mercedes-Benz. Das Unternehmen hat sie Ende 2009 vorgestellt und wird bis Ende 2011 insgesamt 200 Exemplare des Wagens unter Serienbedingungen fertigen. Sie verfügen über eine Start-Stopp-Automatik und eine Lithium-Ionen-Batterie, die bei starker Beschleunigung zusätzliche Leistung bringt. „Durch dieses Hybrid-Konzept ist es gelungen, die Lebensdauer der Brennstoffzellen-Stapel zu erhöhen“ , sagt Herbert Kohler. Gespeist werden die Brennstoffzellen von gasförmigem Wasserstoff, der im Tank unter 700 Bar Druck gespeichert ist.

Die grösste Hürde

Der Wasserstoff ist wohl die größte Hürde für eine breite Einführung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen. „Die Frage der Infrastruktur für eine ausreichende Versorgung ist noch nicht entschieden“, sagt HAW-Forscher Winkler. In ganz Deutschland gibt es rund zwei Dutzend Wasserstoff-Tankstellen, weltweit etwa 200. Solange dieses Tankstellennetz nicht deutlich ausgebaut wird, ist die Fahrt mit einem Brennstoffzellen-Auto unerfreulich. „Neben einigen Tausend Zapfsäulen sind auch Pipelines erforderlich, um den Wasserstoff zu verteilen“, erklärt Detlef Stolten. „Nach dem derzeitigen Willen der Bundesregierung könnte sich aber wirklich etwas bewegen“, meint der Jülicher Forscher. Immerhin habe man in Deutschland das größte Wasserstoff-Tankstellen-Programm weltweit aufgelegt. Erzeugen lässt sich der Wasserstoff aus Erdgas oder durch Elektrolyse von Wasser, etwa mit Strom aus Wind- oder Solaranlagen. Doch Wolfgang Winkler warnt: „Es besteht die Gefahr, dass wir am Markt vorbei entwickeln.“ Der Hamburger Wissenschaftler sieht die erste Priorität im Ersatz des mechanischen Antriebsstrangs durch ein elektrisches System mit integrierter Batterie zur Energierückgewinnung. „Dabei ist es zweitrangig, ob der zusätzlich benötigte Strom zur Verlängerung der Reichweite eines Elektrofahrzeugs aus einem kleinen Motor oder einer Brennstoffzelle kommt“, sagt er.

Bei Daimler lässt man sich davon nicht beirren. Zielstrebig bereitet der Stuttgarter Konzern die Markteinführung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen vor. Die Fachleute des Autobauers haben gemeinsam mit dem Gas-Hersteller Linde berechnet, wie viel der Aufbau eines Wasserstoff-Versorgungsnetzes kosten würde: rund zwei Milliarden Euro für 1000 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Die Unternehmensberatung McKinsey ermittelt zurzeit die Kosten für ganz Europa. „Sie liegen in derselben Größenordnung wie der Aufbau eines Netzes von Stromladestationen für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge“, sagt Daimler-Forscher Kohler. Für den Bau von Strom- und Wasserstoff-Tankstellen müsste man zusammen etwa so viel Geld aufbringen, wie die Bundesregierung für die Abwrackprämie spendiert hat.

fernab vom glitzern

Letztlich könnte die Entwicklung auf einen Mix von Fahrzeug-Technologien hinauslaufen. „Die Zeiten eines einzigen Antriebskonzepts für alle Anwendungen, für Pkw auf Kurz- und Langstrecken, für Lkw und Busse, sind endgültig vorbei“, prophezeit Klaus Bonhoff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie. „ Batterie und Brennstoffzelle passen perfekt zueinander“, meint ZBT-Leiterin Angelika Heinzel: „Welche Technologie besser geeignet ist, hängt davon ab, wie man fahren will.“ Elektroautos mit Batterie sind ideal als Zweitwagen, die oft in der Garage stehen und nur auf kurzen Strecken bewegt werden. Brennstoffzellen-Autos eignen sich dagegen für alle, die oft längere Strecken fahren und flexibel sein wollen. Daher treiben die meisten Automobilhersteller die Entwicklung beider Technologien parallel voran.

Was bei Autos noch Zukunftsmusik ist, scheint bei Motorrädern und Rollstühlen schon bald Realität zu sein – und bei Gabelstaplern: So entwickelt sich in Asien und den USA gerade ein Markt für Gabelstapler mit Brennstoffzellen. „In großen Lagerhallen, wo teils Hunderte von Staplern gleichzeitig im Einsatz sind, bietet das enorme Vorteile“, sagt Detlef Stolten. „ Denn dort ist es schwierig, die Versorgung mit Stromladestationen sicherzustellen.“ Mit Brennstoffzellen lässt sich dieses Problem lösen. Die effizienten Stromspender feiern ihre ersten Erfolge also recht unspektakulär – fernab von glitzernden Messeständen. ■

von Ralf Butscher

Kompakt

· Brennstoffzellen haben viele Vorteile: Sie sind leise, erzeugen keine schädlichen Abgase, arbeiten sehr effizient und müssen nicht – wie Akkus – zeitraubend aufgeladen werden.

· Doch teure Komponenten und Werkstoffe sowie die bislang kleinen Stückzahlen machen den Einsatz der stillen Energiespender etwa in Automobilen noch kostspielig.

· Zurzeit werden etliche Brennstoffzellen-Heizgeräte in deutschen Wohnhäusern getestet.

Auto der Zukunft

Der Wagen läuft. Doch davon hört man nichts – der Elektromotor der Mercedes-B-Klasse „Fuel Cell“ arbeitet völlig geräuschlos. Das bleibt so während der ganzen Probefahrt. Zum Starten und bei langsamer Fahrt liefert eine Lithium-Ionen-Batterie den Strom, dann übernimmt – reibungslos – das Brennstoffzellen-Aggregat. Die Tour macht richtig Spaß: kraftvolle Beschleunigung, geschmeidiges Fahrverhalten – alles wirkt ausgereift. Von den Brennstoffzellen unterm Boden ist nichts zu sehen, der Wasserstoff-Tank raubt keinen Platz im Kofferraum. Nur der fehlende Auspuff und der ungewöhnliche Tankstutzen lassen erkennen, dass man mit einem Auto der Zukunft unterwegs ist.

Mehr zum Thema

Internet

Allgemeines zu Brennstoffzellen: www.brennstoffzelle-nrw.de/index.php?id=21

Informationen zu Antares H2 auf der Homepage des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik: www.dlr.de/tt/desktopdefault.aspx/ tabid-4935/8219_read-13587

Homepage der Firma Lange Aviation: www.lange-aviation.com

Institut für Energieforschung IEF-3 – Brennstoffzellen am Forschungszentrum Jülich: www.fz-juelich.de/ief/ief-3

Lehrstuhl für Brennstoffzellen der RWTH Aachen (Prof. Detlef Stolten): www.brennstoffzellen.rwth-aachen.de

Institut für Energiesysteme und Brennstoffzellentechnik der HAW Hamburg (Prof. Wolfgang Winkler): www.haw-hamburg.de/3137.html

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme: www.ise.fraunhofer.de

Zentrum für Brennstoffzellen Technik: www.zbt-duisburg.de/de

Lehrstuhl für Energietechnik der Universität Duisburg-Essen (Prof. Angelika Heinzel): www.uni-due.de/energietechnik

Brennstoffzellen-Fahrzeuge von Daimler: www.daimler.com/technologie-und- innovation/antriebstechnologien/ brennstoffzelle

„Callux“ Praxistest Brennstoffzelle fürs Eigenheim – mit Links zu Projektpartnern: www.callux.net

Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie: www.now-gmbh.de

Informationen zu Brennstoffzellen in Autos und Gebäuden findet man auf den Webseiten von Bundesverkehrs- und Bundeswirtschaftsministerium: www.bmvbs.de www.bmwi.de

„HotModule“ von MTU Onsite energy: www.mtu-online.com/mtuonsiteenergy

Homepage der Firma Smart Fuel Cell: www.sfc.com

Lesen

Umfassender und tiefschürfender Überblick über Technik und Marktpotenziale unterschiedlicher Typen und Anwendungen von Brennstoffzellen (auf Englisch): Detlef Stolten (Hrsg.) Hydrogen an Fuel Cells Wiley-VCH Weinheim, 2010, € 249,–

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Au|git  〈m. 1; Min.〉 ein Silikat–Mischkristall [zu grch. auge … mehr

Mo|no|ple|gie  〈f. 19; Med.〉 Lähmung eines einzelnen Gliedes [<grch. monos … mehr

Ab|gas|rei|ni|gung  〈f. 20; Kfz〉 Verfahren zur Verringerung der Schadstoffe im Abgas

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige