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Getrennte Wege

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Getrennte Wege
Die Menge an Müll, die Privathaushalte und Gewerbebetriebe produzieren, hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Doch bei der Entsorgung der Abfälle gibt es einen deutlichen Wandel: weg von der Deponierung – hin zu einer möglichst weitgehenden Verwertung.

Ob nach einer abendlichen Grillfete mit Freunden oder nach der Bescherung an Weihnachten – zurück bleibt ein Berg von Abfällen. Die werden zwar von den meisten fein säuberlich nach unterschiedlichen Materialien getrennt und in die dafür vorgesehenen Tonnen und Säcke verfrachtet. Doch ist der Hausmüll erst einmal aus dem Haus, interessieren sich die wenigsten für seinen weiteren Werdegang und die Konsequenzen seiner Entsorgung. Dabei beschäftigt der Müll inzwischen ganze Industriezweige.

In Deutschland fallen nach einer Schätzung des Umweltbundesamts in Berlin jährlich etwa 45 Millionen Tonnen Hausmüll an. Diese Zahl ist seit Ende der neunziger Jahre etwa konstant. Jeder Bundesbürger erzeugt damit im Schnitt rund 500 Kilogramm Abfall pro Jahr. Der Hausmüll besteht zu 44 Prozent aus organischen Küchen- und Gartenabfällen. Papier und Pappe machen 20 bis 25 Prozent aus. Der Rest sind Kunststoffe, Metalle, Textilien und Verbundmaterialien. Gut 14 Millionen Tonnen, rund 30 Prozent des Hausmülls, werden auf Deponien gelagert, fast 10 Millionen Tonnen verbrannt. Rund 21 Millionen Tonnen – etwa die Hälfte aller Haushaltsabfälle – landen in Verwertungsanlagen, wo sie zu neuen Rohstoffen für eine Vielzahl von Produkten verarbeitet werden.

Ein Dorn im Auge nicht nur vieler Umweltschützer ist der nach wie vor hohe Anteil des Hausmülls, der nach der Abfuhr ohne weitere Behandlung auf den bundesweit rund 300 Deponien landet. Auch das Bundesumweltministerium hält die Deponierung für „die schlechteste aller Lösungen“, um Müll loszuwerden. Das Problem bei dieser Art der Entsorgung: Grundwasser oder Niederschlagswasser dringt in den Müll ein, passiert die Deponie und tritt als Sickerwasser in den Untergrund aus – belastet mit einer Vielzahl von Schadstoffen, zum Beispiel mit Schwermetallen wie Kadmium und Quecksilber. Die Sickerlösungen können die Qualität des Grundwassers, das in vielen Regionen zur Trinkwassergewinnung genutzt wird, erheblich beeinträchtigen. Sie müssen daher bei der Aufbereitung des Wassers aufwendig herausgefiltert werden. Ebenfalls eine Belastung für die Umwelt ist das Methan – ein beim Verrotten von Küchenabfällen und anderen organischen Bestandteilen des deponierten Mülls entstehendes Faulgas. Es gilt neben Kohlendioxid als einer der Hauptverursacher des Treibhauseffekts. Um diese Umweltbelastungen zu verringern, sah 1993 die damalige Bundesregierung mit Helmut Kohl bereits in einer „Technischen Anleitung Siedlungsabfall“ vor: Ab 2005 dürfen nur noch mineralische Stoffe auf Deponien abgelagert werden. Der gesamte Restmüll muss dann vor seiner Deponierung von brennbaren Abfällen und organischen Anteilen befreit werden. Dafür kommt entweder das Verbrennen des Mülls oder die so genannte mechanisch-biologische Vorbehandlung in Frage.

Die Bedeutung von Müllverbrennungsanlagen wird damit in den nächsten Jahren zwangsläufig weiter zunehmen. Derzeit gibt es in Deutschland rund 60 Anlagen mit einer Verbrennungskapazität für jährlich über 14 Millionen Tonnen Abfälle. Sie beseitigen nicht nur einheimische Abfälle – auch Müll aus dem Ausland landet in deutschen Müllmeilern: 2001 importierte Deutschland insgesamt 2,7 Millionen Tonnen Müll aus europäischen Nachbarländern. Laut einer Statistik des Bundesumweltministeriums werden bis 2005 bundesweit 75 Anlagen mit einer Kapazität von fast 18 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr in Betrieb sein.

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Beim Verbrennen des Mülls reduziert sich dessen Volumen um rund 80 Prozent. Von den zurückbleibenden festen Reststoffen, der so genannten Schlacke, werden rund drei Viertel im Straßen- und Wegebau verwendet. Der Rest lässt sich – auch nach 2005 – auf Hausmülldeponien entsorgen. Die Rückstände aus der Entstaubung und Reinigung der Rauchgase, die unter anderem nach dem Verbrennen von Kunststoffen Dioxine und Furane enthalten, sind allerdings hochgiftig und gehören zum Sonderabfall. Sie müssen teuer und aufwendig in speziell gesicherten Lagerstätten untergebracht werden. Meist werden die Filterstäube in tiefen, von der Umgebung abgeschlossenen geologischen Gesteinsformationen eingelagert, zum Beispiel in aufgelassenen Salzbergwerken.

Das Ziel der Verantwortlichen im Bundesumweltministerium war schon vor Jahren, möglichst viel von dem produzierten Müll zu verwerten, statt ihn zu entsorgen. Hauptansatzpunkt dafür ist der Verpackungsmüll, der Anfang der neunziger Jahre etwa die Hälfte des Abfallvolumens und ein Drittel des Abfallgewichts ausmachte. Die 1991 in Deutschland in Kraft getretene Verpackungsverordnung nimmt Hersteller, Abfüller und Händler von verpackten Produkten in die Pflicht, um selbst für eine Rücknahme und möglichst weit gehende Wiederverwertung der Verpackungen zu sorgen. Dazu wurde das Duale System Deutschland (DSD) gegründet – eine private Aktiengesellschaft mit Sitz in Köln, die die Wiederverwertung der Verpackungsmaterialien aus Glas, Metall, Papier und Pappe, Kunst- und Verbundstoffen garantiert, organisiert und kontrolliert.

Das Duale System finanziert sich durch Lizenzgebühren von Herstellern und Vertriebsfirmen. Sein Kennzeichen ist der „Grüne Punkt“. Er markiert alle Produkte von Lizenznehmern des DSD. Die Verpackungen dieser Produkte sollen in die dafür vorgesehenen Sammelbehälter geworfen werden, die örtliche, vom DSD beauftragte Entsorgungsunternehmen zu spezialisierten Verwertungsbetrieben bringen. Das Lizenzentgelt, das die Unternehmen für den Grünen Punkt bezahlen müssen, richtet sich nach dem Material, dem Gewicht und der im Handel befindlichen Stückzahl einer Verpackung – und soll die tatsächlich anfallenden Entsorgungskosten decken. Auch im Ausland hat der Grüne Punkt längst Einzug gehalten: Bislang haben 17 europäische Länder – darunter Österreich, Frankreich, Großbritannien, Lettland und die Türkei – sowie Kanada das Konzept übernommen. Weltweit werden jährlich mehr als 460 Milliarden Verpackungseinheiten mit dem Grünen Punkt vertrieben. Dennoch findet das Duale System nicht nur Zuspruch, vor allem wegen seiner hohen Kosten. „Für 200 Joghurtbecher wird etwa ein Kilogramm Polystyrol zum Preis von ungefähr 80 Cent benötigt, sodass Herstellungskosten von weniger als 0,75 Cent pro Becher resultieren. Die Entsorgung über den Grünen Punkt kostet den Verbraucher jedoch fast das Doppelte“, klagt etwa Franz Effenberger, emeritierter Professor und ehemaliger Direktor des Instituts für Organische Chemie der Universität Stuttgart in einem Beitrag für den BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland).

Die Müllproduzenten dagegen spielen eifrig mit beim Trennen der Abfälle. Im vergangenen Jahr sammelten die Bürger in Deutschland pro Kopf im Schnitt 29,5 Kilogramm Glas, 28,9 Kilogramm Leichtverpackungen wie Konservendosen, Milchtüten und Joghurtbecher sowie 18,3 Kilogramm Papier, Pappe und Kartonagen mit dem Grünen Punkt. Getrennt und verwertet werden die gesammelten Wertstoffe in 210 Sortieranlagen, 78 Anlagen zur Veredelung und 105 Recyclingbetrieben.

Besonders hoch ist die Verwertungsquote bei Papier und Glas. Von diesen Materialien finden sich über 90 Prozent des Abfalls später in neuen Produkten wieder. Altpapier wird in Sortieranlagen nach Kartons, Pappe und Papier getrennt. Diese Fraktionen werden in Fabriken zu neuem Papier verarbeitet. Beim Glas erfolgt zunächst eine Sortierung nach der Farbe. Scherben werden von Deckeln und Etiketten getrennt, gereinigt, geschmolzen, zu Granulat verarbeitet und in Glashütten zu neuen Flaschen und Gläsern geformt. Bei einigen anderen Materialien steigt der Anteil, der wiederverwertet wird. Dafür sorgen vor allem neue Technologien für die effiziente Trennung der verschiedenen Stoffe. Aluminium und Weißblech werden durch Wirbelströme und Magnetfelder aus den gesammelten Abfällen geklaubt, und auch für Kunststoffe gibt es seit einigen Jahren automatische Sortieranlagen: zum Beispiel die Anlage SORTEC, die Ingenieure der HTP-Ingenieurgesellschaft für Aufbereitungstechnik in Aachen in enger Kooperation mit dem DSD entwickelt haben.

SORTEC trennt gebrauchte Kunststoffverpackungen beliebiger Größe weitgehend sortenrein nach unterschiedlichen Materialien. Die dabei angewandte Technologie unterscheidet sich von herkömmlichen Verfahren durch einen so genannten nassmechanischen Aufbereitungsschritt, die anschließende Kunststoffveredelung und vor allem durch den Einsatz von infrarotem Licht (siehe Kasten „ Sortenrein durch Infrarot“). Als weltweit erste vollautomatische Sortier- und Veredelungsanlage für Leichtverpackungen wurde die SORTEC 3.0 zur EXPO 2000 in Hannover in Betrieb genommen. Ihre Nachfolgerin SORTEC 3.1 ist seit kurzem ebenfalls einsatzbereit. Bis jetzt arbeitet in Deutschland allerdings nur diese eine SORTEC-Anlage – ihre Technologie hatte sich bei Testläufen zunächst als nicht praxistauglich erwiesen. Der Grund: Zu viel Papier in den Sammelbehältern für Verpackungsmüll hatte immer wieder zu Ausfällen der Anlage geführt.

Die SORTEC-Anlage verarbeitet jährlich rund 25000 Tonnen Leichtverpackungen – das sind fünf Tonnen pro Stunde. Dafür wären beim manuellen Sortieren des Mülls in einer Acht-Stunden-Schicht sieben Arbeitskräfte notwendig. Ausgelegt ist die Anlage für rund eine Million Einwohner – das entspricht etwa der Einwohnerzahl des Großraums Hannover.

Die automatische Sortierung soll vor allem die hohen Kosten der Wiederverwertung von Kunststoffverpackungen senken. So schlägt die manuelle Trennung von Abfällen und Wertstoffen bisher mit etwa 1200 Euro pro Tonne zu Buche – das ist rund das Dreifache dessen, was die Verbrennung einer Tonne unsortierten Hausmülls kostet.

Wer Anfang der siebziger Jahre nach einer Mülldeponie suchte, wurde schnell fündig. Rund 50000 Kippen türmten sich allein in der damaligen Bundesrepublik. Fast jede größere Stadt oder Gemeinde hatte ihre eigene Halde für Hausmüll und Industrieabfälle, deren Menge mit der Entwicklung der Wohlstandsgesellschaft jahrzehntelang rasant immer weiter gewachsen ist. Erst 1972 sorgte das erste Abfallbeseitigungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland für mehr Ordnung in der Deponielandschaft. Das Gesetz legte fest, wer für die Entsorgung der Abfälle zuständig ist, nach welchen Richtlinien deren Beseitigung zu erfolgen hat und welche Strafen bei Ordnungswidrigkeiten drohen. Das Ergebnis: Viele kleine Müllkippen wurden geschlossen und durch größere zentrale Deponien ersetzt. Die Zahl der Kippen sank rasch auf die heutige Zahl von etwa 300. Gleichzeitig nahm die Bedeutung der Müllverbrennung zu. Während bis zur ersten Ölkrise 1972 vor allem in Großstädten und Ballungszentren, wo kein Platz für ausgedehnte Deponien war, ein großer Teil des Mülls verbrannt wurde, stand nach der Energiekrise die Verwendung der Abfälle zur Energiegewinnung im Vordergrund. Heute nutzen alle 61 Hausmüllverbrennungsanlagen in Deutschland die im Abfall enthaltene Energie, um Strom und Heizwärme zu erzeugen.

Die achtziger Jahre waren geprägt durch ein stark gestiegenes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. Das führte nach dem Sankt-Florians-Prinzip dazu, dass der Bau neuer Deponien und Verbrennungsanlagen für die weiter wachsenden Müllberge durch Proteste von Bürgern weitgehend blockiert wurde. Die Bundesregierung reagierte darauf mit einer Wende in der Abfallpolitik: Ein neues Abfallgesetz verlangte 1986, dass der Vermeidung und Verwertung von Müll Vorrang gegenüber der Entsorgung zu geben sei. Durch eine abfallarme Produktion und Produktgestaltung sowie durch die Wiederverwertung eines Großteils der Abfälle sollte die Menge des zu beseitigenden Mülls verringert werden. Fünf Jahre später schuf die deutsche Verpackungsverordnung die Grundlage für die separate Sammlung und Verwertung von Verpackungen durch das Duale System. Bis dahin hatte der komplette Hausmüll seinen Platz unsortiert in Mülltonnen gefunden, die von der Müllabfuhr direkt auf Deponien oder zu Verbrennungsanlagen gefahren wurden. Mit der Einführung des Dualen Systems und des Grünen Punkts stieg die Verwertungsquote von Verpackungsmüll auf über 80 Prozent, während gleichzeitig die Menge der verbrauchten Verpackungen um rund 15 Prozent abnahm.

In jüngster Zeit wird verstärkt über eine Gesamtmüllsortierung nachgedacht. Die Idee: Der gesamte Hausmüll inklusive aller heute getrennt gesammelten Abfälle wie Verpackungen, Batterien, Papier, Glas und in Teilen auch Biokompost kommt gemeinsam in eine einzige Tonne. Ein Teil der Stoffe wird durch automatische Sortiertechniken abgetrennt und einer Verwertung zugeführt. Der größte Anteil aber wird getrocknet, gepresst und schließlich als so genanntes Trockenstabilat zur Energiegewinnung genutzt – als Ersatz für andere Brennstoffe wie Kohle oder Erdgas. Das Verfahren der Trockenstabilisierung hat die Firma Herhof-Umwelttechnik im niedersächsischen Solms-Niederbiel entwickelt, wissenschaftlich begleitet durch Forscher des Witzenhausen-Instituts für Abfall, Umwelt und Energie.

Der gesammelte Hausmüll wird in diesem Szenario allerdings nicht, wie bisher in Müllverbrennungsanlagen üblich, direkt verbrannt. Stattdessen wird der mit Essensresten verunreinigte nasse Abfall zunächst in große Stahlkästen eingelagert. In diesen Rotte-Boxen fressen Mikroorganismen die organischen Bestandteile. Die dabei entstehende Wärme trocknet den Unrat. Ein Frischluftstrom nimmt die Feuchtigkeit auf. Das kondensierte Wasser wird biologisch gereinigt. Nach etwa einer Woche wird der getrocknete Müll geschreddert. Luftdüsen blasen die leichten Bestandteile wie Plastik vom Band. Zum Auftrennen des Materials wird der Abfallstrom über Rüttelsiebe geführt. Ein Magnet sortiert Metallteile heraus, die nicht magnetischen Metalle werden durch Wirbelströme ausgemustert.

Auch der Glasanteil lässt sich zurückgewinnen: Luftdüsen schießen die Glassplitter aus dem Strom. Nach der Wertstoffrückgewinnung bleibt ein Substrat aus Plastik, Papier, Textilien und trockener Biomasse übrig. Dieses Trockenstabilat besitzt einen ähnlich guten Brennwert wie Braunkohle und kann in Kraftwerken eingesetzt werden. Ein Pluspunkt gegenüber der herkömmlichen Müllverbrennung: Durch die Abtrennung von Metallteilen und Batterien wird der Anteil an giftigen Schwermetallen im Trockenstabilat stark reduziert. Außerdem liefert die Auftrennung des Abfallgemischs in wiederverwertbare Metalle, Mineralstoffe und Glas eine große Menge an neuen Rohstoffen. Auch ökologisch bietet das Verfahren Vorteile: Da das Trockenstabilat zu rund zwei Dritteln aus nachwachsenden Energieträgern besteht, ist seine Verbrennung zu einem großen Teil CO2-neutral: Bei der Verbrennung entsteht nicht mehr Kohlendioxid, als die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben. Eine Pilotanlage verwertet in Aßlar bereits seit 1997 die Abfälle von rund 500000 Einwohnern des Lahn-Dill-Kreises.

Abfälle sind nach dem deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996 alle beweglichen Sachen, deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. In Deutschland trägt der Müll aus privaten Haushalten nur etwa 10 Prozent zum gesamten Abfallaufkommen bei. Dagegen machen Bauschutt, Bodenstaub, Straßenaufbruch und Baustellenabfälle allein rund 60 Prozent des Abfallberges aus. Davon wird der größte Teil wiederverwertet. Dazu kommen Abfälle aus der Industrie sowie Sondermüll wie Lösemittelrückstände, Krankenhausabfälle und Tierkadaver, für deren Entsorgung besonders strenge Bestimmungen gelten.

Die Müllgebühren sind in den einzelnen Stadt- und Landkreisen sehr verschieden. Das Spektrum reicht von rund 4 Euro pro Monat in Nürnberg bis zu fast 19 Euro pro Monat im baden-württembergischen Ostalbkreis. Wegen der von Landkreis zu Landkreis unterschiedlichen Gebührensysteme ist ein direkter Vergleich aber nur schwer möglich. So übertragen einige Kreise das Einsammeln und Transportieren des Mülls auf die Gemeinden, andere nicht. In Baden-Württemberg gibt es beispielsweise über 200 verschiedene Kreis- und Gemeindetarife, allein im Alb-Donau-Kreis sind es 55. Berechnet werden die Müllgebühren nach Zahl und Volumen der Tonnen. Die Zahl der Leerungen pro Jahr fließt ebenfalls in die Berechnung ein. Neben der Entsorgung des Restmülls kann die Gebührenkalkulation noch eine Vielzahl anderer Leistungen enthalten, zum Beispiel die Sammlung von Sperrmüll oder Grüngut, die Reinigung der Mülltonnen und die Nutzung von Müllverbrennungsanlagen. Auch allgemeine Verwaltungskosten und Kosten für Abfallberatung können einfließen.

In automatischen Kunststoff-Sortieranlagen wie der SORTEC-Anlage werden Verpackungen nach ihrer Form in so genannte Fraktionen getrennt. Diese „Artikelfraktionierung“ hat zum Ziel, bestimmte Kunststoffe in einer Fraktion zu konzentrieren und gebrauchte Kunststoffverpackungen mit einer festgelegten Sortenreinheit für die Wiederverwendung bereitzustellen. Denn hochwertige, wiederverwertbare Rohstoffe lassen sich nur aus sortenrein getrennten Kunststoffen herstellen. 20 Prozent der jährlich verwerteten Kunststoffverpackungen bestehen aus Polyethylen-Folien. Plastikflaschen, zum Beispiel für Cola oder Mineralwasser, machen rund zehn Prozent der Verpackungen aus. Sie bestehen seit Ende der neunziger Jahre meist aus Polyethylenterephathalat (PET). Bei der kleinsten Fraktion handelt es sich um expandiertes Polystyrol, besser bekannt unter dem Namen Styropor. Zusammen mit Bechern, beispielsweise für Joghurt oder Frischkäse, die aus Polypropylen und Polystyrol bestehen, macht dessen Anteil rund zwei Prozent der Gesamtmenge der verwerteten Kunststoffverpackungen aus.

Ermöglicht wird eine Trennung der verschiedenen Kunststoffsorten durch die so genannte Nahinfrarot(NIR)-Technologie. Während in der Vergangenheit Sortieranlagen gerade mal Flaschen und Becher voneinander unterscheiden konnten, lassen sich mit Hilfe dieser Technologie die gängigen Kunststoffarten vollautomatisch mit einer Reinheit von 90 bis über 95 Prozent trennen. Das bisher unumgängliche Sortieren per Hand entfällt damit. Die NIR-Technologie erlaubt es, verschiedene Techniken optimal aufeinander abzustimmen: Das Material wird anhand des Spektrums des an ihm reflektierten infraroten Lichts bestimmt. Farbkameras orten die Verpackung auf dem Förderband. Auch die Steuerung des Druckluftstoßes, der die Verpackung letztlich in den richtigen Behälter befördert, erfolgt per Infrarot.

Bei der Sortieranlage SORTEC 3.1 trennen NIR-Module in einem ersten Schritt – der trockenmechanischen Vorsortierung – neben PET und Getränkekartons auch Styropor und Papier aus der Kunststoffmasse ab. Das Styropor wird in Form großer Ballen direkt zu einer Aufbereitungsanlage gebracht und zu feinem Granulat verarbeitet. Weißblech wird über Magnetscheider aus dem Stoffstrom entfernt. Leichte Kunststoff-Folien und Papierteile werden aus dem Gemisch herausgeblasen. Durch diese Vorsortierung minimiert sich die Schmutzbelastung des Wassers bei der anschließenden nasschemischen Aufbereitung der restlichen Verpackungen: In überdimensionalen Waschbottichen, so genannten Pulpern, trennen Sortierzentrifugen die zerkleinerten Kunststoffschnipsel im Wasser nach ihrer Dichte. Als Ergebnis liegen Fraktionen aus Polypropylen und Polyethylen vor. In der folgenden Veredelung werden diese Kunststoffe gewaschen, zerkleinert und zu einem rieselfähigen, leicht zu transportierenden Material verarbeitet – oder sofort in die für die weitere Verwertung gewünschte Form gebracht.

Ralf Butscher

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