Die Idee klingt ebenso einfach wie faszinierend: Auf minus 250 Grad Celsius gekühlt, verlieren supraleitende Drähte ihren elektrischen Widerstand. Elektromotoren, deren Spulen aus solchen Leitern gewickelt sind, arbeiten nahezu ohne Verlust. Eine neue Technologie-Ära schien gekommen. Doch heute – 17 Jahre, nachdem diese Idee mit der Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleiter neues Futter erhalten hatte – herrscht Ernüchterung. „Kein Mensch kauft“, stellt Jürgen Kellers betrübt fest. Der Prokurist von American Superconductor Europe in Kaarst bei Düsseldorf sieht sich und seine Firma in einer schwierigen Marktsituation.
Normal leitende Motoren auf der Basis von einfachem Kupferdraht sind ausgereift, haben Wirkungsgrade von weit über 90 Prozent und laufen 25 Jahre. Von daher besteht wenig Anreiz für die Abnehmer, sich auf neue Motoren einzulassen, die in normalen Industrie-Anwendungen „einen Payback-Horizont von zehn Jahren“ haben, wie Jürgen Kellers sagt: Erst nach einem Jahrzehnt haben sie ihren Kaufpreis eingespielt.
So haben zwar Prototypen supraleitender Motoren von wenigen Watt bis zu einigen Megawatt bereits erste Tests absolviert – vor allem in den USA und Europa. Doch für die breite Anwendung sind sie schlicht zu teuer. Ein supraleitender 5-Megawatt-Motor kostet gut 500000 US-Dollar, ein herkömmlicher Elektromotor gleicher Leistung ist um 300000 bis 400000 US-Dollar zu haben. Prof. Peter Komarek, Leiter des Instituts für technische Physik am Forschungszentrum Karlsruhe, bringt das Problem des Supramotors auf den Punkt: „Technisch ja, ökonomisch nein.“ Abgesehen von der aufwendigen Kühlung und technischen Problemen ist „der Preis für Leitermaterial um das Acht- bis Zehnfache zu hoch“, sagt Komarek.
Eine wirtschaftliche Nische tut sich derzeit allerdings dort auf, wo die Vorteile des kühlen Antriebs besonders ins Gewicht fallen: „Als Schiffsantrieb ist der Motor ideal“, sagt Kellers. Er sei nicht nur sparsamer, sondern auch leichter, ruhiger und nur einen Bruchteil so groß wie sein normal leitendes Pendant. Kellers neue Formel heißt daher: Klein, leicht, sparsam – Schiff. Zumindest die Zeitpläne im Schiffsbau würden der Entwicklung der Supramotoren zustatten kommen: Von der Planung bis zum Bau eines Schiffs vergehen manchmal über zehn Jahre. Außerdem gibt es dort noch Kunden, die nicht so sehr auf den Geldbeutel schielen (müssen): Das Militär ist Pilotkunde bei den Motoren von American Superconductors. Noch in diesem Sommer soll die erste 5 Megawatt starke Maschine das Testgelände im englischen Rugby verlassen und mit der Navy auf große Fahrt gehen. Ein zweites Aggregat mit 36 Megawatt Leistung soll in drei Jahren folgen.
Auch bei Siemens hat man Schiffe im Visier. Am Standort Erlangen wird seit vier Jahren ein 400 Kilowatt starker Supramotor gebaut und getestet. „Auch wir haben Pilotkunden“, sagt Siemens-Manager Dr. Heinz-Werner Neumüller. Mehr möchte er nicht verraten. Bis 2008 soll es den ersten wirklich kommerziellen supraleitenden Schiffsmotor geben, verspricht Neumüller. Ob’s diesmal stimmt?
Tobias Beck