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Eine Lanze für Bill Gates

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Eine Lanze für Bill Gates

Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Regal zusammenbasteln, aber das klappt nicht, weil die Schrauben nicht in die Gewinde passen und weil ein Spezialschraubenzieher nötig ist, den es nur beim Regal-Hersteller gibt. Das wäre der Tod der Selbstbaumöbel. Es ist keine 20 Jahre her, da war dies die Situation bei Computern. Hätte sich das nicht geändert, wären sie auch heute noch technische Exoten. So aber wurden sie die wichtigsten Werkzeuge unserer Zeit. Ich erinnere mich gut an die Tage, als man die am PC erfaßten Daten kaum mit anderen Computer-Partnern tauschen konnte, denn die verwendeten ein anderes Betriebssystem oder Diskettenformat. Heute geht nichts mehr ohne die Millionen kleiner Computer. Daß Programme und Computer so preiswert wurden, daß die Technik der schnellen Rechner so populär wurde, liegt entscheidend daran, daß diese technische Partikularisierung überwunden wurde. Standards sind ein Schlüsselelement bei der Nutzung jeder Technik: Kein Telefon, kein Fotoapparat und kein Kühlschrank funktioniert ohne sie. Sie erlauben Massenproduktion, sie lassen Wettbewerb entstehen, durch sie bedeutet Technik nicht allein, daß etwas möglich ist, sondern daß viele Menschen ihre Leistungen nutzen können. Früher setzten schwerfällige Gremien die Standards. Früher, als sich Technik noch langsam entwickelte und irgendwann einmal ausgereift war. Die Institutionen gibt es noch heute, doch inzwischen drängen sich neue Technologien in den Vordergrund, schnelle Veränderungen geben den Ton an. Verordnete Normen halten da nicht mit. Heute setzen sich überzeugende Leistungen durch, oft genug auch cleveres Marketing. Der Marktanteil entscheidet, was zum Standard wird. Und morgen ist alles schon wieder anders. Hier kommt der Name Bill Gates ins Spiel. Nach abgebrochenem Jura-Studium schaffte er es vor 20 Jahren, dem Computer-Giganten IBM das Betriebssystem MS-DOS zu verkaufen – und brach damit das Monopol dieses Konzerns. In der Zwischenzeit schuf er mit Windows die Standard-Plattform der Computer-Industrie, bewahrte uns vor einem Netscape-Monopol – und steht jetzt selbst unter Monopol-Anklage: Ironie der Wirtschaftsgeschichte. Doch ohne Bill Gates hätten Personal Computer und Internet nicht die Rolle in unserer Gesellschaft, die sie in kürzester Zeit erobert haben. Man kann über die Geschäftsmethoden des Multimilliardärs Bill Gates streiten, man mag die Nachteile seiner Software verdammen. Als häufiger Nutzer des Konkurrenzprodukts Macintosh erfahre ich oft persönlich Probleme wie Vorzüge von verschiedenartigen Computer-Kulturen: Manche Arbeitsstunde vergeht damit, Daten ins passende Format zu übertragen; andererseits konnte ich beruhigt das Chaos des ILOVEYOU-Virus beobachten, denn er befiel nur Windows-Rechner. Und doch weiß ich, daß ich ohne den Windows-Standard nicht so viele Menschen per E-Mail und World Wide Web erreichen könnte – allein in Deutschland 15 Millionen. Das Problem erscheint prinzipiell unlösbar: Standards sind notwendig, andererseits machen Monokulturen anfällig für Störungen. Die alten Normen können nicht mithalten, die Methode Monopol wäre sicher nicht die richtige Alternative. Einen interessanten Weg hat das World Wide Web Consortium des WWW-Erfinders Tim Berners-Lee eingeschlagen: Es setzt auf Minimalkonsens, gepaart mit technischer Toleranz – in einer von wildem Kampf geprägten Szene. Und ist damit erfolgreich. Das könnte ein Weg für die alten Normungs-Institutionen sein, wollen sie nicht eines Tages als Dinosaurier in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Reiner Korbmann

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Blut|al|ge  〈f. 19; Bot.〉 rote Art der Grünalgen: Haematococcus grevillei

pe|san|te  〈Mus.〉 schwerfällig, wuchtig [ital., ”schwer, wuchtig“]

Pol|len|schlauch  〈m. 1u; Bot.〉 Schlauch, der nach der Bestäubung von der Narbe zur Samenanlage hinwächst u. die Befruchtung einleitet

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