Menschen haben kein überproportional großes Stirnhirn. Da dieser Teil der Großhirnrinde für Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Planen, Kreativität, Entscheiden und andere typische menschliche Leistungen notwendig ist, herrscht seit langem die Vorstellung, daß das Stirnhirn-Volumen in der Evolution unserer Ahnen besonders stark zugenommen hat. Dem widersprechen jetzt Untersuchungen von Hanna Damasio von der University of Iowa und Katerina Semendeferi von der University of California in San Diego. Mit der Magnetresonanz- Tomographie maßen sie das Hirnvolumen von Menschen und Menschenaffen. Ergebnis: Das Stirnhirn hat sich im Lauf der Evolution nicht stärker vergrößert als die übrigen Hirnregionen. Beim Menschen macht es 36,8 Prozent des Großhirnvolumens aus, bei Schimpansen, Gorillas und Orang Utans 34,9 bis 36,3 Prozent. Nur Gibbons fallen mit 28,4 Prozent stark ab. Das Kleinhirn ist beim Menschen am kleinsten (11,2 Volumenprozent), aber bei den ebenfalls am Boden lebenden Gorillas am größten (16,1 Prozent). Das ist überraschend, weil es hauptsächlich für Bewegungen und Balance zuständig ist, die bei baumlebenden Tieren, zum Beispiel Orang Utans, eine viel größere Rolle spielen.
Rüdiger Vaas