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Kartoffeln mit Kamikaze-Taktik

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Kartoffeln mit Kamikaze-Taktik
Moderne Gentechnik macht es möglich: Kartoffeln opfern eigene Zellen, um sich vor den Erregern der Knollenfäule zu schützen.

Bei feuchtem Wetter kann der Pilz „Phytophthora infestans“ ein Kartoffelfeld innerhalb weniger Tage verseuchen und die Ernte vollständig vernichten. Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule trieb Mitte des letzten Jahrhunderts Hunderttausende von Iren in den Hungertod oder ließ sie nach Amerika auswandern. Heute bekämpfen ihn die Bauern mit Hilfe von Fungiziden – chemischen Stoffen, die Pilze abtöten.

Nun gehen Wissenschaftler des Kölner Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung mit einer völlig neuen Methode gegen den gefürchteten Parasiten vor, um umweltbelastende Fungizide ein-zusparen. Durch gentechnische Manipulation bringen Prof. Wolfgang Rhode und seine Mitarbeiter die Kartoffeln dazu, gezielt eigene Zellen zu opfern, um dem Schädling den Nährboden zu entziehen und seine weitere Ausbreitung zu stoppen.

Die Forscher haben dazu ein Bakterien-Gen in die Versuchskartoffeln implantiert. So kann die Pflanze das Enzym Barnase produzieren, das wie eine Zeitbombe wirkt: Sobald es aktiviert wird, beginnt es mit der Verdauung von RNA-Molekülen, die für den Zellstoffwechsel der Pflanze lebenswichtig sind.

In gesunden Kartoffeln ist das Enzym abgeschaltet und kann sein Vernichtungsprogramm nicht starten. Scharf wird die Waffe erst bei dem Versuch des schädlichen Pilzes, sich im Gewebe der Kartoffeln festzusetzen. Denn er legt bei seinem Angriff auch in unmanipulierten Pflanzen einen molekularen Schalter um: Ein als „gst 1“ bezeichnetes Gen, zuständig für die natürliche Parasitenabwehr, löst Alarm aus.

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In den gentechnisch veränderten Kartoffeln aktiviert er dabei das Enzym Barnase. Andere Schädlinge wie Viren und Fadenwürmer können diese Reaktion ebenfalls hervorrufen – Breitband-Resistenz ist die willkommene Folge.

Um sich sicher sein zu können, daß das „Kamikaze-Programm“ wie gewünscht abläuft, bauten die Wissenschaftler noch einen zusätzlichen genetischen Schalter in die Kartoffeln ein. Er sorgt dafür, daß das Enzym Barnase neutralisiert wird, solange es sich nur in geringen Mengen in der Kartoffel bildet – damit ist sichergestellt, daß sich gesunde Gewebeteile nicht selbst zerstören.

In Labor- und Gewächshaus-Versuchen waren die Kölner Wissenschaftler mit dem neuen Verfahren bereits erfolgreich. Doch bei der diesjährigen Freilandernte muß sich die resistente Zuchtsorte „Bintje“ erst noch bewähren. Versuche sollen dann auch zeigen, ob das Erbmaterial, das in die Kartoffeln eingeschleust wurde, nicht eine Gefahr für die Umwelt ist: Schließlich könnten sich Bodenmikroben die „neuen“ Gene einverleiben und weitergeben – mit schwer absehbaren Folgen.

Silvia von der Weiden

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