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Was ist das Neue an der Speziellen Relativitätstheorie?

Astronomie|Physik

Was ist das Neue an der Speziellen Relativitätstheorie?

Sie übertrifft „an Kühnheit wohl alles, was bisher in der spekulativen Naturforschung, ja in der philosophischen Erkenntnistheorie geleistet wurde“, betonte Max Planck den philosophischen Wert der Speziellen Relativitätstheorie, der weit über ihren physikalischen Wert hinausreicht. Der Physik-Nobelpreisträger war einer der Ersten, der die Bedeutung von Einsteins epochaler Einsicht begriff. Der damals 26-jährige Albert Einstein, der fern vom akademischen Betrieb als unbekannter Technischer Experte III. Klasse und „ehrwürdiger eidgenössischer Tintenscheisser“ (Einstein über sich selbst) am Patentamt in Bern Anträge prüfte, hatte 1905 in den Annalen der Physik eine in nicht einmal sechs Wochen verfasste Arbeit mit dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ publiziert. Sie führte zu einem völlig neuen Verständnis von Raum und Zeit.

Ruhen oder rennen? Egal!

Der Ausgangspunkt von Einsteins Überlegungen war ein fundamentaler Widerspruch zwischen zwei gut bestätigten physikalischen Theorien – der maßgeblich von Galileo Galilei und Isaac Newton entwickelten Mechanik einerseits und dem Elektromagnetismus andererseits, wie er um 1860 von James Clerk Maxwell nach Vorarbeiten anderer komplett ausformuliert war. Der Widerspruch besteht darin, dass die beiden Theorien verschiedene „ Umrechnungsvorschriften“ für Koordinatentransformationen enthalten – also für die Beschreibung physikalischer Vorgänge aus den unterschiedlichen Perspektiven von Beobachtern, die sich relativ zueinander bewegen. Dies ist von großer Bedeutung, denn Naturgesetze hängen nicht von den zufälligen Befindlichkeiten der Wissenschaftler ab. Newton postulierte deshalb eine absolute Zeit und einen absoluten Raum: Uhren und Längenmaßstäbe müssten somit überall im Universum und aus den Perspektiven aller Beobachter unabhängig von deren Geschwindigkeit dieselben Verhältnisse anzeigen. Ob sich also beispielsweise einer beim 100-Meter-Lauf fast die Lunge aus dem Leib rennt oder aber bewegungslos am Urlaubsstrand liegt, sollte keinen Einfluss auf die Physik haben.

Doch Maxwells Gleichungen sehen unterschiedlich aus, je nachdem, ob man sie in einem ruhenden oder einem bewegten Bezugssystem formuliert. Das ruhende System galt zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als grundlegend. Es wurde mit einem hypothetischen Medium in Zusammenhang gebracht, in dem sich die elektromagnetischen Wellen ausbreiten sollten wie Schallwellen in der Luft. Dieses Medium, „Äther“ genannt, sollte gleichsam in Newtons absolutem Raum ruhen. Entsprechend müsste sich die Geschwindigkeit von Lichtstrahlen auf der Erde unterscheiden – je nachdem, in welcher Richtung sie durch den Äther rasen. Denn die Erde läuft ja mit einer bestimmten Geschwindigkeit um die Sonne, und das Licht würde sich mal mit ihr ausbreiten und mal, einen halben Umlauf später, in die entgegengesetzte Richtung laufen. Solche Unterschiede wurden jedoch nie gemessen.

Für Einstein waren die Widersprüche und Uneinheitlichkeiten „ unerträglich“. Und er stellte fest, dass sie verschwinden, wenn man die Annahme eines Äthers, einer absoluten Zeit und eines absoluten Raums aufgibt. Stattdessen machte er zwei andere Voraussetzungen, die sich bis heute bewährt haben:

· Das Relativitätsprinzip: Die physikalischen Gesetze haben in allen unbeschleunigten Bezugssystemen die gleiche Form.

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· Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum ist in allen Bezugssystemen gleich.

Damit war die Annahme unnötig, dass das „ruhende“ Bezugssystem irgendwie grundlegend oder etwas Besonderes sei. Und es genügte eine einzige Umrechnungsvorschrift für alle Koordinatentransformationen – sowohl für mechanische als auch für elektromagnetische Vorgänge. Die SRT stiftete damit eine große Einheitlichkeit und erledigte alle Probleme mit einem Schlag. Mehr noch: Sie offenbarte einen fundamentalen Zusammenhang nicht nur von Materie und Energie, sondern auch von Raum und Zeit. Einstein hob beide als absolute und eigenständige Kategorien auf und verschmolz sie gleichsam zur Raumzeit. „Von Stund‘ an sollen Raum und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken, und nur noch eine Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren“, lautete 1908 die klassische Interpretation des Mathematikers Hermann Minkowski, bei dem Einstein in Zürich studiert hatte.

Es ist nicht alles RELATIV

Der Preis für diesen theoretischen Durchbruch, den inzwischen Experimente vielfach bestätigt und erhärtet haben, ist ein neuer Begriff der Gleichzeitigkeit: Es gibt keine absolute Zeit, sondern vielmehr bezugssystemabhängige Eigenzeiten. Und was für einen Beobachter gleichzeitig erscheint – etwa zwei unabhängige Ereignisse am Sternenhimmel –, ist für einen anderen Beobachter, der sich mit derselben Geschwindigkeit an einem anderen Ort befindet oder sich am selben Ort mit einer ganz anderen Geschwindigkeit bewegt, nicht unbedingt simultan. Räumliche und zeitliche Abstände sind nicht universell, sondern relativ: Die Zeit kann sich gleichsam dehnen und der Raum sich verkürzen. Das widerspricht völlig unserer Alltagserfahrung. Aber nicht alles ist relativ. Die Lichtgeschwindigkeit, die Einstein im Gegensatz zu allen relativen Orten, Bewegungen und Geschwindigkeiten als konstant erkannt hat, ist unabhängig vom Bezugssystem. Sie ist eine universelle Naturkonstante, die überall den gleichen Wert hat, nämlich 299 792,458 Kilometer pro Sekunde im Vakuum. Sie gilt absolut, und sie ist das fundamentale Bindeglied von Raum, Zeit, Materie und Energie. Insofern hätte die Relativitätstheorie auch „Absoluttheorie“ heißen können. ■

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