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Warum sind lichtschnelle Flüge durchs All unmöglich?

Allgemein

Warum sind lichtschnelle Flüge durchs All unmöglich?

In der Relativitätstheorie ist 1 plus 1 nicht unbedingt 2. Jedenfalls nicht, wenn es um Geschwindigkeiten geht, die größer sind, als die Polizei erlaubt. In unserem Alltag ergibt sich die Relativgeschwindigkeit vrel zweier Objekte aus der Addition ihrer Einzelgeschwindigkeiten v1 und v2. Es gilt: vrel = v1 + v2 (bei entgegengesetzter Bewegung ist eine Zahl negativ). Nicht so bei Geschwindigkeiten nahe des Lichts – sonst müsste ja beispielsweise der Laserstrahl, den ein fast lichtschnelles Raumschiff abfeuert, fast die doppelte Lichtgeschwindigkeit haben. Dies ist nach der SRT jedoch nicht der Fall. Vielmehr kommt eine relativistische Additionsformel zum Tragen: vrel = (v1 + v2)/(1+(v1v2/c2)). Nur wenn v1 und v2 klein sind relativ zu c ergibt sich die gewohnte Summe als Grenzwert. Die Straßenverkehrsordnung ist also nicht in Gefahr, und die Schmetterbälle beim Tischtennis kann man auch ohne das Studium der SRT seinem Gegner um die Ohren hauen.

Andere Alltagsgrößen erscheinen durch die Relativitätstheorie ebenfalls in einem neuen Licht. Mathematisch wird das mit einem relativistischen Faktor ausgedrückt, der Lorentz- oder Gamma-Faktor heißt. Dieser Faktor wirkt sich umso stärker aus, je näher eine Geschwindigkeit v an die Lichtgeschwindigkeit c kommt und beträgt g = 1/( 1 – v2/c2). Mit g lässt sich die Zeitdilatation und Längenkontraktion berechnen: Eine Zeitspanne dehnt sich um den Gamma-Faktor, und eine Strecke verkürzt sich um seinen Kehrwert, also um 1/g.

Der Gamma-Faktor betrifft nicht nur Raum und Zeit, sondern auch Masse und Energie. Das ist die schlechte Nachricht für Science-Fiction-Fans, die gerne Raumschiffe durch die Galaxis sausen lassen würden. Denn der Energieaufwand für eine Beschleunigung steigt nicht linear, sondern exponentiell. Körper mit einer Ruhemasse können niemals auf Lichtgeschwindigkeit gebracht werden, weil dafür unendlich viel Energie nötig wäre. Das hängt mit der relativistischen Massenzunahme zusammen, die Einstein entdeckt hat: Neben der Ruhemasse m gibt es nämlich noch die relativistische Masse g m eines Objekts in einem gegebenen Bezugssystem. Die Masse eines Teilchens wächst also mit seiner Geschwindigkeit v um den Faktor 1/( 1 – v2/c2).

ZUNEHMEN MIT ENERGIE

Ein Astronaut, der zu Hause im Bett 80 Kilogramm wiegt, hätte folglich eine Masse von mehr als einer halben Tonne, wenn er mit 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit durchs All rasen würde. Trotzdem würde er sich nicht schwerer fühlen, denn es wäre nicht seine schwere Masse, die zunimmt, sondern seine träge Masse, die sich der Beschleunigung gewissermaßen entgegenstemmt. (Warum man sich allerdings morgens im Bett, wenn der Wecker klingelt, relativ schwer fühlt, kann auch die Relativitätstheorie nicht erklären.) g erschwert also fast lichtschnelle Flüge durch die Milchstraße. Um beispielsweise eine zehnfache Zeitdehnung relativ zur Erde zu erreichen, entsprechend über 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, müsste man zusätzlich zu einer Nutzlastmasse von etwa 1,25 Tonnen, mit der man zurückkehren will, über 243 000 Tonnen Treibstoff als Startmasse mitführen – und das gilt nur für eine hypothetische Photonenrakete, die allen Treibstoff in Licht umwandelt und somit die maximal mögliche Ausströmgeschwindigkeit für den Schub hat. Das ist utopisch, wenn auch nicht prinzipiell unmöglich. Zum Vergleich: Die Saturn-V-Raketen, mit denen Menschen zum Mond starteten, hatten eine Masse von rund 2700 Tonnen.

Auch in der Welt der Teilchenphysik spielt der Gamma-Faktor eine große Rolle, und die relativistische Massenzunahme gehört sogar zum Alltagsgeschäft der Forscher. Wenn im LHC (Large Hadron Collider) bei Genf beispielsweise Protonen auf 99,999999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, dann sind sie 7000 Mal schwerer als in Ruhe. Am DESY (Deutschen Elektronen Synchrotron) in Hamburg wurden Elektronen sogar auf so hohe Geschwindigkeiten gebracht, dass ihre Masse um das 55 000-Fache zunahm. ■

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Mi|ne|ral|was|ser  〈n. 13u〉 mineralreiches Wasser aus einer natürl. od. erschlossenen Quelle, meist mit Kohlensäure versetzt

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