Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen

Gesellschaft|Psychologie

Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen
Viel stärker als die Europäer haben die Chinesen Sprichwörter verinnerlicht – und setzen sie bei Verhandlungen strategisch geschickt ein.

Frustriert hat die Baumarktkette Obi vor einiger Zeit ihr Engagement in China wieder aufgegeben. Das Unternehmen ist nicht das einzige, das bei Geschäften im Reich der Mitte kapituliert. Der Grund für das Scheitern der deutsch-chinesischen Joint Ventures sind häufig kulturelle Missverständnisse. „Wir wissen viel zu wenig über China“, konstatiert der Sinologe Harro von Senger schlicht.

Um die Menschen in der Volksrepublik besser verstehen zu können, ist der Freiburger Professor in die Tiefen des chinesischen Denkens eingetaucht. Er hat das Volkswissen ins Deutsche übersetzt und in seinem Buch „36 Strategeme für Manager“ zusammengefasst. Strategeme sind soziale Verhaltensregeln, die in China meist unbewusst – in Form von Sprichwörtern und Weisheiten – weitergegeben werden. Die Verhandlungen mit chinesischen Geschäftspartnern könnten erfolgreicher sein, so von Sengers These, wenn Manager die Strategien und Winkelzüge ihres asiatischen Gegenübers besser verstehen würden – und nicht auf jeden Trick hereinfielen: „Im Reich der Mitte wird ,Listkundigkeit‘ seit jeher kultiviert. Ein Mensch gilt nur dann als klug, wenn er auch etwas von List versteht, insbesondere wenn er nicht auf destruktive Listanwendung herein fällt.“ Weisheit zeigt sich also auch darin, eine List frühzeitig zu erkennen.

„Die Rolle des Gastes in die des Gastgebers umkehren“ ist beispielsweise ein Strategem, das die globalen Wirtschaftsbeziehungen der Chinesen prägt: In einem Unternehmen, das von zwei internationalen Partnern gleichberechtigt geführt werden sollte, nimmt das chinesische Management häufig das Heft in die Hand. Und der Partner, der das Know-how geliefert hat – quasi der ideelle Gastgeber –, wird nach getaner Pflicht möglichst schnell wieder vor die Tür gesetzt – wie ein unliebsamer Gast.

Hätten deutsche Manager und die Bundesregierung das Strategem „ Mit leichter Hand das – einem unerwartet über den Weg laufende – Schaf geistesgegenwärtig wegführen“ im Transrapid-Geschäft beherzigt, und „wenigstens eine kommerziell betriebene Transrapidstrecke in Deutschland auf die Beine gestellt“, sagt von Senger, dann hätten die Deutschen von ihrer eigenen technischen Entwicklung – „dem Schaf“ – viel stärker profitiert. Schließlich gilt der Transrapid als eines der besten und sichersten Beförderungssysteme der Welt. So aber wurde die Gunst der Stunde nicht genutzt – und die Chinesen haben die Vermarktung übernommen.

Anzeige

So manchem westlichen Unternehmer, der zu Verhandlungen nach China gereist war, ist die Unkenntnis des Strategems „Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen“ schon teuer zu stehen gekommen. Von Senger erklärt es als eine „Charmeoffensive“, mit der der Verhandlungspartner geschwächt werden soll – zum Beispiel, indem ein Manager nach einer langen Reise mit viel Freundlichkeit empfangen und sofort zu einem ausufernden Abendessen mit viel Alkohol geladen wird. Bei den Verhandlungen am nächsten Tag sind die Chinesen dadurch fitter – und in der stärkeren Position.

Trotz chinesischer Kniffe und Tricks sieht der Sinologe keinen Grund zur Kapitulation: „Jeder kann sich, wenn er sich ein bisschen Mühe gibt, die chinesischen Strategeme aneignen.“ Es gehe darum, die eigenen moralischen Skrupel zu überwinden und auch mal schlitzohrig zu sein. List sei in den kulturellen Wurzeln des Westens ebenso vorhanden wie in China – man müsse sie lediglich wahrnehmen und thematisieren.

Um solche Erkenntnisse umzusetzen, bietet sich als erster Schritt das Strategem Nummer 6 aus Sengers Sammlung an: „Im Osten lärmen, im Westen angreifen.“ Man sollte also bei einem Chinageschäft nicht stur auf das Verhandlungsziel starren, sondern sehr aufmerksam beobachten, was nebenbei noch geschieht. So wird man nicht unliebsam überrascht und kann vielleicht sogar den „Tiger vom Berg in die Ebene locken“. ■

Antje Schmid

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

♦ Par|al|la|xen|se|kun|de  〈f. 19; Astron.; Kurzw.: Parsek, Parsec; Abk.: pc〉 Entfernung, aus der der Halbmesser der Erdbahn um die Sonne die Größe einer Sekunde (1″) hat, 1 pc = 3,263 Lichtjahre

♦ Die Buchstabenfolge par|al|l… kann in Fremdwörtern auch pa|ral|l… getrennt werden.

leer  〈Adj.〉 1 nichts enthaltend, entleert (Gefäß) 2 frei, unbesetzt (Platz) … mehr

Tan|tal  〈n. 11; unz.; chem. Zeichen: Ta〉 chem. Element, hartes, widerstandsfähiges Metall, Ordnungszahl 73 [nach der grch. Sagengestalt Tantalus, … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige