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Was Menschen verborgen bleibt

Allgemein

Was Menschen verborgen bleibt
Homo sapiens ist ein Augentier, das hervorragend sehen kann: scharf, dreidimensional und in drei Farben. Nur Vögel können den Menschen darin übertrumpfen. Beim Hören, Riechen und Tasten liegt er dagegen nur im Mittelfeld. Und von den weiteren Informationen, die die Umwelt liefert, ist der Mensch völlig abgeschnitten: Es fehlen ihm die nötigen Sinnesorgane.

Man kommt sich als Mensch geradezu wahrnehmungsbehindert vor, wenn man erfährt, welche Informationen Tiere sehen, hören, riechen oder fühlen können, von denen wir – als angebliche Krone der Schöpfung – überhaupt nichts mitbekommen: Der Himmel ist mit einem Muster aus polarisiertem Licht bedeckt, an dem man sich hervorragend orientieren kann. Magnetfeldlinien zeigen wo Norden ist, und überall in der Natur sind Zeichen in ultravioletter Farbe. Töne wummern im Infraschall oder fiepen im Ultraschall. Sie verraten, wo es nach Hause geht, wo Nahrung lockt oder Gefahr droht (siehe nachfolgende Beiträge). Warum bleiben uns diese wichtigen Details verborgen? Warum hat uns die Evolution so stiefmütterlich ausgerüstet?

Weil sie geizig ist – so das Fazit der modernen Evolutionsforschung. Lebewesen sind keineswegs optimal an ihren Lebensraum angepasst, wie man früher dachte, sondern gerade mal so gut wie nötig. Das ist sinnvoll, denn jedes zusätzliche Organ verbraucht Energie, jeder Sinn Verabeitungskapazität im Gehirn. Darum verlieren Organismen im Laufe der Evolution Fähigkeiten, die sie nicht unbedingt zum Überleben und Sich-Fortpflanzen brauchen. Das geschah auch bei unseren Vorfahren, den frühen Säugetieren. Sie waren zur Saurierzeit kleine Tiere, die nachts aktiv waren. In dieser Umwelt musste man nicht gut sehen können. Sie verloren die damals wahrscheinlich vorhandene Fähigkeit, vier Farben wahrzunehmen. Die meisten heute lebenden Säugetiere sind noch immer schlechte Seher. Viele können nur schwarz-weiß oder höchstens zweifarbig sehen. Die Affen, und damit die Menschen, gehören zu den Ausnahmen: Sie können rot und ziemlich scharf sehen. Für Früchtefresser, die von Baum zu Baum springen, ist das ein klarer Überlebensvorteil. Magnetsinn oder Ultraschallhören bot dagegen anscheinend keinen überzeugenden Vorteil.

Das muss nicht immer so bleiben. Evolution ist ein ständig fortschreitender Prozess. Falls die Art Homo sapiens noch lange überleben sollte, wird sie sich veränderten Umweltbedingungen anpassen und vielleicht Sinne verlieren, verfeinern oder neu entwickeln. Unsere Augen-Gene sind dafür schon gerüstet – und das in beide Richtungen: Im Gen-Pool der Menschheit gibt es Individuen ohne Rot-Rezeptoren im Auge, die Rot-GrünBlinden, und es gibt Menschen mit einem vierten Farbrezeptor. Das ist vielleicht der Anfang für zukünftiges menschliches Infrarot- oder Ultraviolett-Sehen – wenn es denn wirklich notwendig sein sollte.

Thomas Willke

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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